Kriegsreisende

 die Sozialgeschichte der Söldner

Zwischen den Weltkriegen

Trebitsch-Lincoln Trebitsch-Lincoln
"Der größte Abenteurer des XX. Jahrhunderts."
Flammenwerfer Oberst Max Bauer
Ein Meister aus Deutschland.
Koltschak Zwischen Weiss und Rot
Die Kriegsgefangenen im russischen Bürgerkrieg.
Freikorps Die Freikorps
Kampf ums Baltikum.
Ungern-Sternberg Ungern-Sternberg
Der blutige Baron und sein Reich in der Mongolei.
Marokko Für Abd el Krim
Die Deserteure der Fremdenlegion in Marokko.
Tercio Die spanische Fremdenlegion
und die Eroberung Marokkos.
Junkers W33 Junkers Piloten
zwischen den Weltkriegen.

Nach dem II. Weltkrieg

von Braun Operation Paperclip
Die Jagd auf die Gehirne.
Nazi Alte Kameraden und kalte Krieger
Ex-Nazis zwischen Ost und West.
Afrikakorps Veteranen des Afrikakorps
kämpften für die Moslembruderschaft in Palästina.
Skorzeny Buch Otto Skorzeny
Die Nachkriegskarriere von Hitlers Propagandahelden.
Fremdenlegion Fremdenlegionäre in Indochina
Nur raus aus dem kaputten Deutschland.
Waffen-SS Kommandotruppen der CIA
SS-Veteranen für den Kalten Krieg.

Der Kalte Krieg

Novios Die Verlobten des Todes
Alt- und Neonazis in Bolivien.
Katanga Katanga
Anfang der 60er Jahre meldeten sich die Söldner in Afrika zurück.
Affreux Die Schrecklichen
Der Simbaaufstand und die Rebellion der Söldner im Kongo.
Zumbach Kamikaze Brown
Die Geschäfte und Abenteuer des Jean Zumbach.
Kongo-Müller Kongo-Müller und Kommando 52
Deutsche Söldner im Kongo 1964/65.
Steiner Rolf Steiner
Indochina, Algerien, Biafra und der Sudan.
Bob Denard Bob Denard
In geheimer Mission.
Katanga-Gendamen Die Katanga-Gendarmen
Der Dreißigjährige Krieg im Kongo und Angola
Angola Ex-Paras in Angola
Killer und gescheiterte Existenzen.
Mcaleese Peter McAleese
Working Class Hero.
Brando Apocalypse Now
Der Mann, der "Colonel Kurtz" war.
Gaddafi Gaddafis Islamische Legion
Vom Tschad bis nach Darfur.
Kepi Blanc's Paras Képi Blanc's Paras
Der Weg nach Dien Bien Phu.

Söldner im 20. Jahrhundert: erst verachtet dann verboten.

Die meisten Großmächte hatten zur Jahrhundertwende große Armeen aus Wehrpflichtigen gebildet. Der einst verachtete Militärdienst war eine Ehrensache geworden, zu der jeder Bürger herangezogen werden konnte. Der Dienst am Vaterland war eine patriotische Pflicht, die zunehmend sakral verklärt wurde. Für Ausländer, für materialistische Söldner war in diesen Armeen kein Platz mehr. In der Haager Konvention von 1907 wurde deshalb erstmals der Versuch unternommen, die Rekrutierungen von Söldnern allgemein zu ächten.

Ausnahmen wurden lediglich in den Kolonien gemacht, da es dort ja nicht um die Verteidigung des geliebten Vaterlandes ging. Außerdem wurden dort immer noch Abenteuerlust und Gewinnstreben als gerechtfertigte Motivation angesehen. Einzelne Abenteurer fanden auch in Konflikten fern von Europa Beschäftigung, wie in Ägypten, dem Burenkrieg oder der Revolution in Mexiko.

Als es dann 1914 zum großen Gemetzel des Ersten Weltkrieges kam, meldeten sich überall die Patrioten in Massen zum Kriegsdienst. Da Großbritannien, als einzige europäische Großmacht eine relativ kleine Berufsarmee unterhielt, wurden seine Soldaten von der deutschen Propaganda als "Söldner" diffamiert. "Söldner" wurde unter diesen Umständen endgültig zum Schimpfwort.

Dennoch wurden höchstwahrscheinlich niemals wieder Begeisterung und Idealismus schneller von den Realitäten zermahlen, regelrecht im Blut ersäuft. Angesichts der gigantischen Menschenverluste durch die industriellen Massenvernichtungswaffen sprachen die Soldaten bald selbst von der "Blutpumpe", der "Knochenmühle" oder dem "Fleischwolf" von Verdun. Historiker bezeichneten den Ersten Weltkrieg schließlich als die "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts".

Als der Krieg dann immer unersättlicher nach neuem "Menschenmaterial" verlangte, begann man vielerorts wieder über bewährte Praktiken nachzudenken. Die Haager Konvention hatte zwar auch die Rekrutierung von Kriegsgefangenen untersagt, wenn diese sich jedoch freiwillig meldeten, gar für ein zukünftiges Vaterland kämpfen wollten, konnten diese Vereinbarungen sicher etwas großzügiger ausgelegt werden. Für aus nationalen Minderheiten aufgestellte Verbände griff man meistens auf die Bezeichnung "Legion" zurück. So bildeten Deutsche und Österreicher bereits 1914 aus russischen Kriegsgefangenen eine polnische Legion, was die Franzosen nicht abhielt, später selbst eine polnische Armee aus Gefangenen und polnischstämmigen US-Bürgern aufzustellen.

Russland hatte zahlreiche Gefangene aus den k.u.k.-Armeen, die aus vielen Nationalitäten zusammengesetzt waren, und so entstanden dort nach und nach serbische, polnische und tschechoslowakische Legionen. Da es in Russland aber mehr an Waffen als an Menschen fehlte, sollte die größte davon, die tschechoslowakische Legion, über Sibirien an die Westfront geschafft werden, wofür Russland im Gegenzug von den Verbündeten Kriegsmaterial erhalten sollte. Bei einem ähnlichen Geschäft hatte Russland bereits mehrere russische Brigaden geliefert, die sogar noch nach dem Ausscheiden Russlands aus der Koalition als Russische Legion an der Westfront verheizt wurden. Ein Historiker meint dazu, sie seien "für Granaten verkauft" worden.

Natürlich wurden sicher viele aus Idealismus zu Legionären, dennoch sollte man die elende Situation in den Gefangenenlagern als Werbehelfer nicht unterschätzen. Für die rekrutierenden Staaten aber waren die Legionäre in allererster Linie billiges Kanonenfutter. Als beispielsweise die tschechoslowakische Legion vom Bürgerkrieg in Russland überrascht wurde, hatten die Ententemächte keine Skrupel, sie dort als Teil ihrer Interventionstruppen zu verwenden. So kämpften tschechische Patrioten fast noch zwei Jahre nach der Kapitulation der Mittelmächte in Sibirien für englische Bergbaukonzessionen und Weltmachtinteressen.

Am deutlichsten werden diese Verhältnisse bei der Verwendung von Kolonialtruppen. Die in Afrika und Asien rekrutierten Soldaten hatten weder Bürgerrechte, noch auch nur im Entferntesten eine Vorstellung davon, worum es in diesem Krieg im fernen Europa eigentlich ging. In den schlammigen Schützengräben der Westfront starben Annamiten, Gurkhas, Inder, Marokkaner, Algerier, Westafrikaner und viele, viele mehr. Frankreich rekrutierte in Westafrika so hemmungslos, dass es dort schließlich zu Unruhen kam. 1917 war die Lage für Frankreich so desolat, dass Ministerpräsident Clemenceau sogar darüber nachdachte, in Äthiopien 200.000 Söldner zu rekrutieren. Für Großbritannien, das seit über einem Jahrhundert in seinen Kolonialkriegen indische Sepoys verwendete, kamen nicht weniger als 1,3 Millionen Inder zum Einsatz.

Auch wenn es den Afrikanern und Asiaten an "höheren" Zielen mangelte, so starben sie doch nicht schlechter als die Europäer und boten außerdem den Vorteil, dass ihre Todesanzeigen nicht in den Zeitungen erschienen und eventuelle Invalidenrenten deutlich geringer ausfielen. Trotzdem war es ein kurzfristiger Nutzen, denn die farbigen Söldner lernten nun, dass auch ihre weißen Herren letzten Endes ganz normale Sterbliche waren, und so wurde auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges auch der Mythos von der Überlegenheit und der Unbesiegbarkeit der weißen Rasse begraben.

Verglichen mit den ganz großen historischen Konfliketen (der Hundertjährige Krieg, der Dreißigjährige oder die Napoleonischen) hatte der Erste Weltkrieg ein Vielfaches an Soldaten mobilisiert und auch Opfern gefordert. Es überrascht deshalb wie wenig Söldner durch ihn produziert wurden. Die Fremdenlegionen Frankreichs und Spaniens rekrutierten einige tausend, chinesische Warlords bildeten aus geflohenen Weißrussen ein paar Regimenter, sonst findet man nur ein paar Abenteurer in den halb vergessenen Konflikten der Zwanziger Jahre.

Es fehlte einerseits der Bedarf. Denn überall wo es zu Konflikten kam, war es günstiger eigene Patrioten zu rekrutieren, und so benötigte man bestenfalls Spezialisten wie Techniker, Militärberater und vor allem die neuen Piloten. Andererseits war auch trotz aller Wirtschaftskrisen das Elend der Nachkriegszeit nicht so groß, dass man Söldner werden musste um nicht zu verhungern.

Da inzwischen deutlich geworden war, dass keine einzelne Nation so stark war um die gesamte Welt zu dominieren, wurde der Nationalismus zunehmend durch übergreifendere Ideologien, Weltanschauungen ersetzt. Man kämpfte nun nicht mehr für seine Nation, sondern für seine Klasse, seine Rasse, die Freiheit im Allgemeinen oder gleich für die ganze Menschheit. Für Individualisten, die hinter persönlichem Gewinn oder Abenteuer her waren, war da kein Platz.

Als es im Spanischen Bürgerkrieg zum ersten großen Zusammenstoß der neuen Ideologien kam, schlossen sich Zehntausende Ausländer den Internationalen Brigaden an, um dort für ihre Ideale zu kämpfen. Obwohl bei einigen sicher Abenteuerlust mit ein wichtiges Motiv war, so waren doch "Abenteurer" ausdrücklich nicht erwünscht und wurden als verdächtige Elemente gnadenlos vom NKWD verfolgt.

In weit geringerer Anzahl und oft völlig ignoriert kämpften internationale Freiwillige auch auf der Seite der Putschisten. Die hatten zum Kreuzzug gegen die gottlosen Kommunisten aufgerufen und damit vor allem unter europäischen Katholiken Erfolg. 8.000 Portugiesen, 700 Iren, dazu Polen, Franzosen, Weißrussen und einige andere kämpften auf Francos Seite. Doch auch bei ihnen dominierte eindeutig die Ideologie.

Die Bezeichnung "Söldner" kann man im Spanischen Bürgerkrieg eigentlich nur auf zwei Gruppen anwenden: Die internationalen Piloten der Republikaner und die Marokkaner Francos. Die meisten der Piloten hatten sicher auch aus politischen Sympathien das republikanische Lager gewählt, dennoch war ihre Bezahlung so exorbitant, dass man hier das entscheidende Motiv sehen muss. Der Sold der Marokkaner lag zwar weit darunter, war in den bettelarmen Rekrutierungsgebieten dennoch ein kleines Vermögen. Es ist besonders zynisch und wird dennoch gerne übersehen, dass entgegen aller erzkatholischer Kreuzzugspropaganda Franco seinen Sieg zu einem guten Teil ca. 70.000 marokkanischen Regulares verdankte.

Dem entsprach, dass im Zweiten Weltkrieg ausgerechnet die Nazis, die am lautesten Vaterland und Rasse beschworen hatten, am hemmungslosesten Ausländer rekrutierten. Wurden zu Kriegsbeginn nur "reinrassige" Deutsche als "wehrwürdig" erachtet, so änderte sich dies mit zunehmender Geschwindigkeit.

Gerade die Waffen-SS, die nie genug Menschenmaterial auftreiben konnte, stellte germanische "Freiwilligen-Legionen" auf. Als sich dann im Verlauf des Krieges die Verluste häuften, kamen noch die Ostlegionen aus Balten, Ukrainern, Weißrussen, Kosaken und Moslems hinzu. Sicher hatten sich viele der Westeuropäer aus echter Überzeugung, Abenteuerlust oder politischem Opportunismus gemeldet. Anders lag die Sache bei den russischen Kriegsgefangenen. Von ihnen ließen sich die meisten rekrutieren, um nicht in den deutschen Lagern zu verhungern. Wie zahlreiche Söldner im Lauf der Geschichte gehorchten sie der Not und wurden "untergesteckt". Ein deutscher General kam in der Normandie dann zu der Einsicht, dass "Russen in Frankreich für Deutschland gegen Amerika nur sehr bedingt verwendbar" seien.

Die Westmächte griffen dagegen in gewohnter Manier auf Kolonialtruppen und Emigranten zurück. In der besonders verlustreichen Schlacht bei Monte Cassino kämpften unter anderem Marokkaner, nepalesische Gurkhas, Inder, Maoris und schließlich Exilpolen. Vor allem die Briten nutzten das gigantische Menschenreservoir Indiens und rekrutierten allein dort 2,5 Millionen Söldner.

Nach Kriegsende stellte sich schnell heraus, dass vor allem die Verwendung von Kolonialtruppen dazu geführt hatte, dass die Unabhängigkeit der Kolonien nicht mehr aufzuhalten war. Überall bildeten sich neue Nationalstaaten, und die Fremdenlegion oder die Kongosöldner, die hier und da versuchten diesen Prozess zu stoppen, wirkten wie exotische Relikte aus längst vergangenen Zeiten.

In der neuen Weltordung, die sich während des Kalten Krieges formierte, umwarben sowohl die USA wie auch die Sowjetunion die jungen Nationalstaaten. Für Söldner war in dieser modernen, fortschrittlichen und idealistischen Welt nun wirklich kein Platz mehr. Auf Drängen einiger afrikanischer Staaten wurde dann 1989 durch eine UN-Konvention die "Rekrutierung, Einsatz, Finanzierung und Ausbildung von Söldnern" weltweit für illegal erklärt.

Obwohl die Unterzeichner der UN-Konvention genug Schlupflöcher für ihre jeweiligen Bedürfnisse gelassen hatten, schien doch eine Geschichte, die praktisch so alt ist wie die der Zivilisation, an ihr Ende gekommen. Allerdings sollte jedem klar sein, der sich für Geschichte interessiert, dass nur wenige fundamentale Elemente wirklich ihr Ende finden. Sie durchleben Phasen, Höhen und Tiefen, und man kann das späte 20. Jahrhundert wahrscheinlich als den absoluten Tiefpunkt der Söldnergeschichte bezeichnen aber keineswegs als ihr Ende.





Kriegsreisende

Artikel
- Archetypen
- Völker
- Antike
- Mittelalter
- Renaissance
- Neuzeit
- Absolutismus
- Imperialismus
20.Jahrhundert
- Gegenwart

Biographien

Medien
- Bücher
- Filme

Links

Disclaimer
Archetypen Völker Antike Mittelalter Renaissance Neuzeit Absolutismus Imperialismus 20. Jahrhundert Gegenwart