Kriegsreisende

 die Sozialgeschichte der Söldner

Otto Skorzeny

Die Nachkriegskarriere von Hitlers Propagandahelden

Otto Skorzeny und Hitler Skorzeny hatte 1943 bei der SS die Leitung der neuen Abteilung für Sabotage- und Kommandooperationen übernommen. In dieser Funktion nahm er bereits nach wenigen Monaten an der Befreiung Mussolinis teil. Obwohl diese Operation eigentlich von der Luftwaffe geleitetet worden war, wurde der spektakulärer Erfolg von der SS reklamiert und Skorzeny wurde dabei zum Propagandahelden. Breitschultrig, mit einem Gardemaß von 1,93 und einem veritablen Schmiss eignete er sich hervorragend für diese Rolle. Er war hervorragendes Material für die Wochenschauen, auch Hitler war begeistert von seinem arischen Supermann und verlieh ihm das Ritterkreuz.

Danach leitete Skorzeny noch mehrere Operationen wie den Einsatz von Saboteuren in Belorussland oder den von SS-Leuten in amerikanischen Uniformen während der Ardennenoffensive jedoch nicht mehr an vorderster Front sondern als Organisator. Zum Kriegsende zog er sich in die so genannte Alpenfestung zurück um von dort aus mit seinen Leuten einen erbarmungslosen Guerillakrieg gegen die Alliierten zu führen, ergab sich dann aber am 16. Mai den Amerikanern.

Als hochrangiger SS-Offizier und einer Galionsfigur der Nazi-Propagando blieb Skorzeny über drei Jahre in einem Internierungslager; er wurde immer wieder verhört, schließlich wegen Kriegsverbrechen angeklagt und freigesprochen. Das war angesichts seiner alten Position nicht weiter ungewöhnlich. Es überrascht dagegen etwas, dass es einem Mann mit seinem Ruf nicht gelang, in den Dienst der Amerikaner zu wechseln. Sein ehemaliger Konkurrent von der Abwehr Reinhard Gehlen stand seit Anfang 1946 mit der ORG bereits fest im Sold der OSS, des Vorläufers der CIA.

An gutem Willen von Skorzenys Seite hat es sicher nicht gefehlt. Als die Amerikaner nicht reagierten, behauptete er, dass er von russischer Seite kontaktiert worden sei, um für die Kommunisten zu arbeiten. Die Amerikaner hatten zwar seine Verwendung in Betracht gezogen, waren aber schnell zu dem Schluss gekommen, dass er als Geheimdienstmann kaum zu verwenden war. Skorzeny war sicher persönlich tapfer - ein „Draufgänger“, wie man so sagte - aber eben kein großer Denker oder Organisator, und bei aller Skrupellosigkeit redete er gerne und liebte es im Rampenlicht zu stehen.

Bücher von Skorzeny Obwohl ihn die Amerikaner nicht verwenden wollten, so wollten sie es bei seiner Popularität doch nicht riskieren, dass ihn die Sowjets zu Propagandazwecken einsetzten. Mit Duldung der CIA und wahrscheinlich von Gehlen mit falschen Papieren ausgestattet entkam Skorzeny im Juli 1948 aus dem Lager. Die nächsten beiden Jahre verbrachte er unter falschem Namen hauptsächlich in Paris und auf einem Bauernhof in Bayern. Er schrieb dort an seinen Lebenserinnerungen, die dann von der Illustrierten Quick und dem Figaro veröffentlicht wurden. Später folgten weitere Bücher, mit denen Skorzeny eifrig an seiner Legende strickte.

In dieser Zeit stand er bereits in engem Kontakt mit verschiedenen Fluchthilfeorganisationen, die gesuchte Kriegsverbrecher ins sichere Ausland schleusten. Dabei hatte er sicher nie die zentrale Position als heimlicher Leiter von ODESSA oder der Spinne, wie später gerne gemunkelt wurde. Zum Teil, da diese Organisationen oft reine Fantasieprodukte waren, aber auch, da ihn einige der Hardcore-Nazis für einen unzuverlässigen Schwätzer hielten. Trotzdem hatte er allein schon wegen seiner Berühmtheit hervorragende Beziehungen, die er konstant ausbaute. So scheint ihn Gehlen mehrmals besucht und auch vor Aktionen der Polizei gewarnt zu haben.

Im September 1950 ging Skorzeny dann nach Spanien, wo unter Francos Regime bereits über Zehntausend Deutsche Zuflucht gefunden hatten. Er ließ sich in Madrid nieder und hatte schnell engste Kontakte zu faschistischen Emigrantenzirkeln aber auch zu höchsten Kreisen des spanischen Militärs. Als Hitlers Vorzeigeheld und legendärer Befreier Mussolinis fand er überall offene Türen.

Als sehr hilfreich erwies sich auch seine künftige Frau Ilse Gräfin Finck von Finckenstein. Sie hatte enge Beziehungen zur Familie von Hjalmar Schacht. Hitlers ehemaliger Finanzminister hatte als „unpolitischer Fachmann“ die Entnazifizierung gut überstanden und nach Krieg eine Bank in Düsseldorf gegründet. Ilse war ehrgeizig, „nordisch“ gut aussehend und verstand es hervorragend prominente Gäste zu bewirten und ein großes Haus zu führen.

Skorzeny eröffnete ein Ingenieurbüro in Madrid und begann ein immer engeres Netz aus Verbindungen zu alten SS-Kameraden, deutschen Industriellen, spanischen Militärs, südamerikanischen Diktatoren, CIA-Agenten und ultrakonservativen Politikern zu spinnen. Anfangs versuchte er noch wenig erfolgreich mit seinen Nazi-Freunden in Spanien und Deutschland eine deutsche Exilarmee zu organisieren, die dann von den USA finanziert werden sollte. Doch dadurch geriet er nur in Konflikt mit der Bundesregierung und erhielt ein Einreiseverbot, gerade nachdem durch seine offizielle Entnazifizierung alles geregelt schien.

Skorzeny und Barbie feiern in den 50ern
Otto Skorzeny und klaus Barbie feiern Wesentlich erfolgreicher war er mit der Vermittlung von Geschäften. So konnte er durch seine spanischen Beziehungen einigen deutschen Stahlfirmen, darunter Krupp und Klöckner, einen Großauftrag für die spanische Eisenbahn RENFE vermitteln. Seine Provision war beträchtlich. Der ganz große Coup gelang ihm aber, als er dabei behilflich war, dass die spanischen Militärs den USA 1953 erlaubten in Spanien Militärflugplätze zu bauen. Skorzeny l ieferte Unmengen Stahl und Beton und wurde reich.

Obwohl er mit Stahl und Beton auch bald am neuen spanischen Bauboom mehr als gut verdiente, scheint ihm das nicht gereicht zu haben. Möglicherweise war es seine alte Geltungssucht, eine Liebe für politische Verschwörungen und Action, jedenfalls war er über seine alten Nazi-Kontakte bald in äußerst dubiose Waffengeschäfte verstrickt. In Südamerika war ihm Hitlers Stuka-Ass Hans Ulrich Rudel behilflich, der in Argentinien für den Diktator Perón als Militärberater und Waffenhändler tätig war. In Bolivien arbeitete er mit Klaus Barbie zusammen, dem ehemaligem Gestapo-Chef von Lyon. Mit Rudel und Barbie hatte Skorzeny anscheinend ein recht enges Verhältnis, da ihn beide gelegentlich in Spanien besuchten.

Unter seinen guten Bekannten und Geschäftspartnern gab es noch eine ganze Reihe anderer hochrangiger Nazis und gesuchter Kriegsverbrecher. Man hatte gemeinsam Fluchtwege organisiert. Später verschob man Waffen an Diktatoren und Koka-Generäle, war beim Aufbau von Sicherheitsdiensten behilflich. Die meisten standen zumindest zeitweilig auch im Dienst der CIA und fast alle hatten guten Kontakt zur Organisation Gehlen und anschließend zum Bundesnachrichtendienst, der über diese Kanäle gerne ausgemusterte Rüstungsgüter der Bundeswehr entsorgte.

Über Gehlen kam Skorzeny dann auch mit Ägyten ins Geschäft. Dort hatten 1952 die Offiziere die Macht übernommen. Vor allem um russischen Einfluss zu verhindern, wollten die USA den Staat zwar unterstützen, waren aber wegen Rücksichten auf Israel, Großbritannien und Frankreich, die den Suezkanal besetzt hielten, zur Zurückhaltung gezwungen. Die CIA wandte sich also an Gehlen und dieser, stets um Diskretion bemüht, wiederum an Skorzeny. Gemeinsam rekrutierten sie über 100 Altnazis, die den Ägyptern dann beim Aufbau ihres Geheimdienstes behilflich waren. Die Deutschen hatten als stramme Antisemiten einen hervorragenden Ruf und sicher erhoffte man sich auch einiges von ihren Gestapo-Methoden zu lernen.

Einige Deutsche arbeiteten aber auch als Ausbilder bei der ägyptischen Armee, so der ehemlige SS-Fallschirmjäger Gerhard Mertins. Mertins war Skorzeny bereits seit der Befreiung Mussolinis bekannt und später arbeiteten beide häufig beim Waffenhandel zusammen. Skorzeny selbst bot den Ägyptern seine Dienste als Ausbilder und Führer einer Spezialeinheit für die irreguläre Kriegsführung an. Allerdings scheint er zu viel Geld verlangt zu haben, denn die der Plan wurde nie realisiert. Trotzdem blieben ihm gute Kontakte, die sich bald darauf als sehr nützlich erwiesen, um die algerische Unabhängigkeitsbewegung mit Waffen zu beliefern.

Deutsche Raketen in Ägypten In den nächsten Jahren konzentrierten sich seine Geschäfte vorwiegend auf Spanien und Südamerika. Ägypten wurde erst wieder Anfang der Sechziger Jahre wichtig, als Präsident Nasser begann, in großem Stil deutsche Wissenschaftler für ein Raketenprogramm anzuwerben. Es ist gut möglich, dass Skorzeny auch hier den einen oder anderen alten Kameraden vermittelt hat, an entscheidender Stelle war er jedoch nicht tätig. Dafür wurde er dieses Mal von der Gegenseite angeworben.

In Israel hatte man die Entwicklung ägyptischer Mittelstreckenraketen mit großer Sorge beobachtet. Da mit politischen Mitteln nichts zu erreichen war - die Deutsche Regierung behauptete dreist auf die Raketentechniker keinerlei Einfluss zu haben - begann der Mossad einen Kleinkrieg gegen einzelne Techniker mit Briefbomben, Erpressung und Mordanschlägen. Skorzeny schien dabei der ideale Kandidat, um die sehr abgeschlossenen Kreise zu infiltrieren; vor allen Dingen aber war er völlig skrupellos und Israel konnte ihm etwas anbieten.

Gegen Skorzeny waren kurz zuvor wieder Ermittlungsverfahren wegen Kriegsverbrechen eröffnet worden. So sollte er KZ-Häftlinge als Versuchskaninchen bei Waffentests benutzt haben. Das Beweismaterial war den Behörden teilweise von jüdischen Kreisen in Wien zugespielt worden. Außerdem hatte der Mossad seinen alten Bekannten Eichmann in Buenos Aires entführt und vor Gericht gestellt. Skorzeny hätte für Israel sicher keinen Finger gerührt, möglicherweise sogar im Freundeskreis eine Flasche Champagner geöffnet, wenn in Tel Aviv deutsche Raketen eingeschlagen wären. Aber er wollte endlich in Ruhe sein Geld verdienen und stilvoll ausgeben.

Als ihm der Mossad dann einen vom israelischen Pemierminister Levi Eschkol unterzeichneten Generalpardon anbot, war er zur Zusammenarbeit bereit. Angeblich sollte er den deutschen Technikern in Kairo gut zureden, damit sie ihre Arbeit dort einstellten. So viel Einfluss wird ihm allerdings niemand zugetraut haben. Wahrscheinlicher ist, dass er unter anderem bei Gesprächen Meinungen und Analysen zum Stand des Projekts sammelte. Nach manchen Berichten soll er auch am Mord an dem deutschen Raketenspezialisten Hans Krug bei München beteiligt gewesen sein.

Dass er neben dem Waffenhandel für solch zwielichtige Unternehmen eine Ader bewahr hatte, zeigte sich, als er 1970 bei Alicante die Sicherheitsfirma „Paladin Group“ gründete. Und ganz im Gegensatz zu seinen versponnenen Plänen von einer deutschen Exilarmee, an denen er sich in der Nachkriegszeit versuchte, scheint er hier im Kleinen viel besser den Bedarf der Zeit und den Rahmen seiner Möglichkeiten erkannt zu haben. Bei Gründung von Paladin (der Name kam anscheinend von der amerikanischen TV-Serie „Have Gun - Will Travel“, die später auch das Logo von Executive Outcomes lieferte) scheint er die Klagen spanischer Militärs, frustrierter Diktatoren und faschistischer Regime im Kopf gehabt zu haben. In gut zwei Jahrzehnten Waffenhandel und politischer Intrige hatte er sie und ihre Bedürfnisse ja nur allzu gut kennengelernt.

Paladin unterhielt ein Ausbildungszentrum in den Pyrenäen, in dem man fast alles lernen konnte, was man für den hausgemachten Terrorismus und politischen Mord so benötigte. Meistens vermittelte Paladin ehemalige Söldner, Soldaten oder Attentäter. Zu den Kunden zählten die Militärjunta in Griechenland, Muammar Gaddafi, das südafrikanische Apartheidsregime, Dikatoren in Lateinamerika. Die meisten Aktionen von Paladin werden sicher nie bekannt werden. Der italienische Neofaschist Aldo Tisei gestand jedoch später, dass er von Paladin rekrutiert worden sei, um in Frankreich lebende ETA-Mitglieder zu ermorden.

Wie alles im Zusammenhang mit Skorzeny war natürlich auch Paladin Anlass für wilde Spekulationen, so behauptete die sowjetische Presseagentur TASS, dass von Skorzeny amerikanische Green Berets für den Vietnamkrieg ausgebildet worden seien. Ein hoher amerikanischer Offizier, der Skorzenys Ausbildungslager besuchte, traf dort tatsächlich einige deutsche Ausbilder, die Guerillatechniken lehrten, aber als Vietnamveteran fand er ihre Techniken zwar ganz gut aber doch nicht mehr zeitgemäß. Das einzige, was er neu hinzulernte, war die ausgefeilte Technik der Brandstiftung.

Trauerfeier Skorzeny Man kann allerdings annehmen, dass Skorzeny bei Paladin mehr das Aushängeschild, eine Art Frühstücksdirektor, als der eigentliche Planer und Organisator war. Er war bei der Gründung bereits an Krebs erkrankt und die Leitung von Paladin wurde zunehmend von einem Dr. Gerhard Hartmut von Schubert übernommen. Schubert hatte wichtige Funktionen in Goebbels Propagandaministerium ausgeübt, dann nach dem Krieg in Argentinien für Perón gearbeitet und war nach dessen Sturz nach Ägypten gewechselt.

Skorzeny starb 1975 in Madrid und wurde im April in Wien bestattet. Bei den Trauerfeiern sah man jede Menge alte Kameraden, die Uniformen und Orden zur Schau stellten. Aus heutiger Sicht war es wie ein Stelldichein in einem billigen Nazi-Horror-Thriller. Es wurde sicher viele von Idealismus und Opfermut geschwafelt; Skorzeny hatte es jedenfalls immer gut verstanden, für sich selbst zu sorgen und war als einer der reichsten Männer Spaniens gestorben. Für ihn hatte es sich tatsächlich gelohnt.



Literatur:

Lee, Martin A.
The Beast Reawakens: Fascism's Resurgence from Hitler's Spymasters to Today's
Neo-Nazi Groups & Right-wing Extremists
1997

Riegler, Thomas
The most dangerous man in Europe? Eine kritische Bestandsaufnahme zu Otto Skorzeny
in: Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies Vol 11, Nr. 1/2017, S. 15–61

Smith, Stuart
Otto Skorzeny: The Devil's Disciple
Osprey 2018

Whiting, Charles
Skorzeny: The Most Dangerous Man in Europe
Pennssylvania 1998


© Frank Westenfelder  


 
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