Rituale und Trophäen
Die schrecklichen Kerle.
Nun ist es leider passiert, und wir müssen uns als historisches
Magazin leider kurz einem ganz aktuellen Thema zuwenden. Da haben also
einige Bundeswehrsoldaten in Afghanistan ein paar Totenschädel gefunden
(nicht extra ausgegraben oder gar selbst präpariert) und sich damit
fotografieren lassen. Sicher nicht unbeabsichtigt haben sie dabei auch
ein bekanntes Bild vom 5. Kommando unter
Kongo-Müller nachgestellt.
Falls sie sich dabei von unserer Seite inspirieren ließen, so bedauern
wir das, möchten aber betonen, dass sich bei Themen und Ton unserer Artikel
doch eigentlich der dicke Hinweis erübrigen müsste: Macht nicht
das, worüber wir schreiben, sondern denkt darüber nach.
Wenn man den Medien glauben darf, ist die ganze Welt entsetzt. Wir vermuten
eher eine gewisse Schadenfreude darüber, dass den deutschen Saubermännern
auch mal so was passierte. Wie auch immer, die deutschen Politiker sind
voller Abscheu, ausnahmsweise entschlossen hart durchzugreifen und im Bundestag
sprechen einige sogar von "Verrohung" und "Entmenschlichung". Das ist nicht
nur dumm, sondern die pure Demagogie von Pharisäern. Denn schließlich
ist gerade das Sammeln von Trophäen nur etwas Allzumenschliches, etwas
das den Menschen vom Raubtier abhebt, wie wir in unserem Artikel
Die Hunde des Krieges ausführlich dargestellt
haben.
Widerlich ist daran vor allem das scheinheilige Getue der Bildzeitung, die etwa in dem
Ton besorgt fragt: Wie geht es unseren Soldaten in Afghanistan, bekommen sie genug zu
Essen und haben sie auch warme Socken? Nur um dann mit immer neuen "Skandal-" oder
"Schockfotos" auf eben diese Soldaten einzuprügeln. Auch der dümmste
Bildredakteur hätte bei der Betrachtung dieser Bilder leicht einige verunsicherte
Burschen, die unter Gruppenzwang den großen Max spielen, erkennen können.
Wahrscheinlich haben sie es ja auch erkannt, nur hat es eben nicht ins Konzept
gepasst. Dazu kommt die Angst vor den Fundamentalisten, die ja gerne vor laufender
Kamera Köpfe abschneiden, aber wegen einiger Karikaturen schon mal
Botschaften anzünden. Wahrscheinlich macht man sie mit dem ganzen Geschrei
jetzt erst auf etwas aufmerksam.
Es ist aber auch deshalb ein scheinheiliges Geschwätz, da jedem,
der nur ein wenig über die Bundeswehr weiß und nur solche sollten
sich ja äußern, bekannt ist, dass derartige Fotos bei allen uniformierten
und kasernierten Einheiten gemacht werden. Bereitschaftspolizei und BGS
sind da keine Ausnahme; wahrscheinlich gibt es sogar weltweit kaum eine
Kaserne, wo man nicht ähnliche Szenen gestellt hat. Normalerweise
werden aus Mangel an Totenschädeln Gasmasken benutzt, dazu
kommen Helme und nach Möglichkeit martialische Posen und Waffen. Es
sind Bilder von Milchbubis, denen man gesagt hat, dass sie jetzt Soldaten
sind, und die irgendwie versuchen damit umzugehen.
Man könnte es dabei belassen, wenn man nicht befürchten müsste,
dass nicht Schlimmeres nachkommt. Politiker wollen Soldaten, die ihren
Auftrag erfüllen. Doch worin genau besteht dieser? Natürlich,
Sandsäcke an der Oder stapeln oder Schokolade an bosnische Kinder
verteilen, das sehen alle gern. Aber dafür haben wir ja das THW, und
dann gibt es noch Ärzte ohne Grenzen. Also darf man doch annehmen,
dass man eine Armee vor allem dazu hat, um sie dahin zu schicken, wo es
für das THW zu böse und zu gefährlich ist. Im Kosovo hat
das nicht funktioniert. Es war so schlimm, dass sogar die Grünen,
die ja lange nicht wussten, ob es sich bei der Bundeswehr um eine Mörderbande
handelt, nach deren Einsatz riefen. Dennoch war ganz Westeuropa - Deutsche,
Franzosen, Briten, Italiener... - nicht in der Lage die Serben zu bremsen,
konnte sich noch nicht einmal auf ein echtes Embargo festlegen. Also musste
man in höchster Not die Amerikaner rufen, damit diese die Schmutzarbeit
erledigten. Als es dann zu den üblichen Kollateralschäden kam,
konnte man wie üblich seine Hände in Unschuld waschen und Entsetzen
heucheln.
Dennoch hat man gelernt - Auslandseinsätze, die Kriege der Zukunft
- und das KSK gegründet. Solche Spezialeinheiten sind sehr beliebt
seit die Medien Artikel über Amerikas Schattenkrieger, die Special
Forces publizierten. Das KSK ist eine tolle Sache, da kommen ständig
Journalisten und Politiker für Fototermine vorbei, und der Verteidigungsminister
kann auf NATO-Tagungen nun auch endlich mit seinen Kollegen mithalten.
Aber weiß man eigentlich, was die
Special Forces in Vietnam gemacht haben, und wenn man es weiß,
denkt man, dass sich diese Sachen ändern?
Natürlich sind unsere Spezialkräfte anders. Es handelt sich
bei ihnen zwar auch um harte, hervorragend trainierte Soldaten, die aber
auch über eine gereifte Persönlichkeit verfügen. Wir möchten
hier einwenden, dass "gereifte" Persönlichkeiten wohl selten zum Militär
gehen und wenn, dann noch viel seltener zum KSK. Zumindest alle westlichen
Armeen appellieren bei der Freiwilligenwerbung hauptsächlich an die
Abenteuerlust junger Menschen. Diejenigen, die wegen des sicheren Jobs
zum Militär gehen, melden sich nicht zu Spezialeinheiten. Dann kommt
die Ausbildung. Dabei geht es nicht, wie manche vielleicht glauben, nur
um Fitness und technische Fähigkeiten. Man muss den Novizen Selbstwertgefühl
und Korpsgeist vermitteln. Sie müssen sich für den Teil einer
Elite von Kriegern halten, möglicherweise für die Besten der
Besten, denn schließlich sollen sie einmal dahin gehen, wo es für
alle anderen zu gefährlich und zu grausam ist.
Hier beginnen dann die Rituale, verglichen mit denen die erwähnten
Fotos Schulbubenstreiche sind. Auch diese Initiationsriten mit all ihrem
Machogehabe unterscheiden sich bei den Eliteeinheiten weltweit wahrscheinlich
nur wenig. Bei den härtesten Einheiten sind sie manchmal von einer
Grausamkeit, dass man schon schlimme Feinde haben muss, um ihnen so etwas
zu wünschen. Es gibt übrigens eine sehr interessante Studie einer
kanadischen Professorin, die mit feministischem Befremden die Initiationsriten
kanadischer Fallschirmjäger untersucht (Sandra Whitworth: Men, Militarism
and Unpeacekeeping: A Gendered Analysis; Boulder, Colorado 2004). Der Anlass
war der Skandal, für den deren Verhalten bei der UN-Mission in Somalia
sorgte. Man kann einiges aus dieser Untersuchung lernen und man sollte
sie vielleicht zur Pflichtlektüre für Politiker machen, die sich
Spezialeinheiten wie ein neues Spielzeug wünschen. Keine Antwort
gibt sie allerdings auf die Frage, wen wir denn bitte dann an diese schlimmen,
finsteren Orte schicken sollen.
Sicher kann man durch staatsbürgerlichen Unterricht und innere
Führung so einiges erreichen. Man kann diesen jungen Burschen, die
alle so hart und gefährlich sein wollen, einschärfen: "Benehmt
euch anständig, die Weltpresse schaut zu. Macht eure blöden Fotos
nur in der Kaserne und verkauft sie auf keinen Fall an die Bildzeitung.
Und seht bei euren lächerlichen Machospielen zu, dass niemand verletzt
wird." Wenn man genug Schulungen dieser Art abhält und nicht alle
dabei einschlafen, wird das vielleicht funktionieren. Doch dann schickt
man die Burschen tatsächlich in den Einsatz.
Selbstverständlich wird es kein richtiger Einsatz; so naiv sind
Politiker dann doch nicht. Irgendwohin, wo es nicht richtig gefährlich
ist, und die Soldaten vor den Journalisten Schokolade verteilen und den
Kindern die Köpfe tätscheln können. Ja, so lieben wir die
Bundeswehr. Es kann natürlich passieren, dass die Sache etwas aus
dem Ruder läuft; Krisenregionen haben das manchmal so an sich. Dann
werden die Soldaten eben einfach abgezogen und die Afghanen sollen zusehen,
wie sie alleine zurechtkommen. Belgien hat das damals in Ruanda vorexerziert,
als es nach dem Verlust von zehn Soldaten sein UN-Kontingent abzog und
die Tutsis ihrem Schicksal überließ. Also beschäftigt man
die Soldaten an einem mäßig gefährlichen Ort. Dort werden
sie sich dann den Spott ihrer amerikanischen und britischen Kameraden zuziehen,
die diese deutsche Elite zumindest unter sich wahrscheinlich als einen
Verein von Weicheiern und Schwuchteln bezeichnen. Es kann also sein, dass sich
da schon einmal der eine oder andere etwas beliebt machen will. Natürlich
sollten sie weit über so etwas stehen, sich ihrer Pflicht im Angesicht
der Weltpolitik bewusst sein, aber es sind ja wie gesagt keine Diplomaten
sondern Elitesoldaten.
Aber auch ein mäßig gefährlicher Einsatz verändert
die Menschen. Die Langeweile bietet viel Gelegenheit dumme Sachen anzustellen.
Dazu kommt die ständige Gefahr. Wie reagiert ein Mensch wohl darauf,
wenn er monatelang als Zielscheibe durch die Gegend läuft, sich ständig
bewusst sein muss, dass er in eine Sprengfalle laufen kann. Dafür
haben sie ja die Solidarität des Vaterlandes im Rücken, und wenn
sie grausam verstümmelt nach Hause kommen, wird sie die Kanzlerin
höchstselbst im Krankenhaus besuchen. Sollten sie gar sterben,
wird man ihren Särgen eine Art Staatsempfang bereiten. Das muss doch
ein richtig beruhigendes Gefühl sein. Aber bitte keine dummen Fotos!
Möglicherweise entwickeln sich die Sachen nicht so, wie erwartet,
und die Politiker fühlen sich verpflichtet unsere Soldaten nicht abzuziehen,
wenn die Sache schlimm wird. Es könnte ja sein, dass sie sich den
Amerikanern gegenüber dazu verpflichtet fühlen. Oder sagen wir,
man rutscht in irgendeinen anderen Krieg. Out of Area ist ja angesagt und
schließlich will man mitspielen, seine weltpolitische Rolle ausfüllen,
einen permanenten Sitz im Sicherheitsrat bekommen. Dann könnte es
ja sein, dass deutsche Soldaten tatsächlich mal für längere
Zeit in einem richtigen Krieg durchhalten müssen. Was wird wohl dann
passieren? Dort werden sie alles lernen, was man ihnen bei ihrer Eliteausbildung
noch nicht beigebracht hat, und noch einiges mehr. Vielleicht wird man
ihre Tapferkeit und ihr Heldentum feiern - es macht uns jetzt schon krank
-, aber nur so lange wie man nicht erfährt, wie es dort wirklich zugeht.
Ein alter Fremdenlegionär, der in dem schmutzigen Krieg in Algerien
kämpfte, von dem Frankreich nichts wissen wollte, brachte es einmal
auf den Punkt: "Was konnten wir mit Zivilisten anfangen? Nichts. Sie blieben
uns fremd, denn wir steckten bis zum Hals im Dreck, während sie auf
unseren Schultern standen, um sich ihre Gamaschen nicht zu versauen." Rudyard
Kipling, der wie nur ganz wenige Dichter wusste, wie Soldaten sind und
was sie tun hat diesen von allen verachteten Kerlen in seinem Gedicht
"Tommy"
ein unvergessenes Denkmal gesetzt. Tommy der Säufer und Schläger,
von dem niemand was wissen will, den man überall rauswirft, bis man dann
laut nach ihm schreit, wenn der Feind vor der Tür steht.
Um es kurz zu machen: auch wir finden es bedauerlich, wenn auch nicht
erstaunlich, dass diese Fotos gemacht wurden. Leid tun uns aber nur die
Soldaten, die dabei in eine Maschinerie gerieten, auf die man sie nicht
entsprechend vorbereitet hat. Vor allem widern uns aber diese Politiker
an, die Soldaten in Kriege schicken und jetzt lautstark ihr Entsetzen bekunden.
Kriege sind eine barbarische Sache - wir hoffen immer noch das mit Kriegsreisende
zu verdeutlichen -, und wer denkt, er könne daran teilnehmen ohne
sich die Hände schmutzig zu machen, gehört nicht in die Politik.
Vielleicht sollte man endlich mal darüber nachdenken, was man eigentlich
will, bevor man ständig neue Kontingente in die Welt schickt, wegschaut
und hofft, dass nichts passiert.
Wir wollen hier Soldaten nicht generell für alles entschuldigen. Verbrechen
und schwere Vergehen müssen ganz besonders im Krieg verfolgt werden.
Eine Lynndie England gehört vor Gericht. Aber was ist mit den Politikern,
die endlich Ergebnisse sehen wollten und das langsam nach unten durchsickern
ließen? Natürlich darf ein anständiger Amerikaner nicht
foltern; die USA lassen das in Pakistan oder Saudi Arabien erledigen. Wo
sitzen hier eigentlich die Zyniker? Die Kriegsverbrecherprozesse von Nürnberg
waren zweifelsohne eine großartige Sache. Vor allem deshalb,
weil man dort tatsächlich einmal die Führungsschicht verurteilte.
Da der Skandal ja wegen Fotos entbrannt ist, möchten wir hier zum Abschluss noch einige Bilder präsentieren und damit auch den historischen Kontext verdeutlichen. Es geht wie gesagt um archaische Rituale, mit deren Hilfe Männer (auch Frauen) versuchen, ihren Wert als Krieger zu unterstreichen und ihre Tapferkeit zu demonstrieren. Totenschädel spielen dabei eine nicht geringe Rolle.
Alle diejenigen, die denken man könne saubere Kriege ohne solche "Nebenwirkungen" führen, sollen doch bitte ihre Soldaten zu Hause lassen. Denn wenn man sie in richtige Kriege schickt, wird es immer wieder dazu kommen und nicht bei ein paar harmlosen "Schockfotos" bleiben.
Langobardenkönig Alboin
Alboin hatte aus dem Schädel des von ihm erschlagenen Gepidenkönigs Kunimund einen Becher machen lassen. Nachdem er dessen Tochter Rosamunde geheiratet hatte, soll er sie gezwungen haben, aus diesem Becher zu trinken. Der Sage nach soll sie später zwei ihrer Liebhaber angestiftet haben, Alboin zu ermorden.
Coyotekrieger der Azteken
Aztekischer Krieger, der sich mit Maske in einen "Wolf" verwandelt. Ein gutes Beispiel für die weite Verbreitung dieser Praktiken.
Darstellungen von Totenschädeln findet man in Mexiko im Überfluss.
Amazone aus Dahomey
Kriegerin aus dem berühmten Amazonenkorps des Königs von Dahomey mit Kopftrophäe.
Britischer Kolonialoffizier
Offizier um Mitte des 19.Jahrhunderts in Indien. Der Totenkopf scheint als dekoratives Element damals nicht unüblich gewesen zu sein.
Spanische Fremdenlegionäre im Rif
Angehörige des Tercios - Spanische Fremdenlegion - während des Rifkrieges präsentieren stolz die Köpfe getöteter Kabylen. Eine der üblichen Methoden, zu demonstrieren, dass man genau so schrecklich war wie der Gegner.
Amerikanische Fallschirmjäger
Paras kurz vor der Invasion. Sie tragen nicht nur den "Mohawk" dieses von den Kolonisten lange besonders gefürchteten Stammes, sondern benutzen auch ein Art Kriegsbemalung. D.h. sie versuchen Krieger zu werden.
Kriegsbemalung in Vietnam
Amerikanische Special Forces in Apocalypse Now. So stellte sich Coppola die Barbarisierung von Soldaten vor. Dass dabei auch gerne Trophäen gesammelt wurden, zeigt das Beispiel von Anthony Poshepny.
Saudi in Bosnien
Saudischer Freiwilliger der "7. Bosnian Muslim Brigade" stationiert in Zenica mit dem Kopf eines Serben.
Die Ironie der Geschichte ist, dass hier offensichtlich unter US-amerikanischer Schirmherrschaft und mit saudischem Geld Personal trainiert und Kriegspraktiken eingeübt wurden, die heute - wieder einmal - auf die Amerikaner selbst zurückschlagen.
Der Club der Schädelsammler
Zum Abschluss noch eine Geschichte, die von einer Absurdität ist, wie sie nur das reale Leben hervorbringen kann, die aber auch zeigt, dass sich die angeklagten Soldaten in allerbester Gesellschaft befinden.
1926 beauftragte Prescott Bush - der Großvater des aktuellen US-Präsidenten - den Söldner Emil Holmdahl (irgendwann gibts vielleicht auch mal einen Artikel dazu), ihm den Schädel des mexikanischen Nationalhelden Pancho Villa zu bringen. Nach erfolgreichem Grabraub erhielt Holmdahl 25.000$ für die Trophäe. Diese vermachte dann Bush-Großvater seiner elitären Yale-Geheimgesellschaft, der "Skull-&-Bones", für die er zuvor schon eigenhändig den Schädel des Apachenhäuptlings Geronimo geraubt hatte. Forderungen der Apachen oder der Mexikaner nach Untersuchung oder gar Rückgabe der Trophäen wurden einfach ignoriert. Nicht erstaunlich, wenn man bedenkt, dass nicht nur George W. Bush, sein Vater, eine ganze Reihe anderer Präsidenten und John F. Kerry Mitglieder sind oder waren.
Man kann sich leicht vorstellen, dass bei studentischen Initiationsriten so mancher Schabernack mit den Schädeln dieser "amerikanischen Feinde" getrieben wird. Aber wahrscheinlich ist es eben ein gewaltiger Unterschied, ob dies angehende Präsidenten und Senatoren tun oder tumbe Gebirgsjäger.