Die Gurkhas
Englands Fremdenlegion.
Im Gebiet des modernen Nepal gibt es ca. 100 ethnische Gruppen und Stämme,
die mehrere Dutzende verschiedene Sprachen sprechen. Die meisten sind indo-arischer
oder tibetischer Herkunft; es gibt aber auch starke mongolische Einschläge.
Die gewaltigen Berge und abgelegenen Täler förderten lange die
politische Zersplitterung des Landes. Die zahlreichen Fürstentümer
und Stämme lagen fast ständig im Streit um die begehrten fruchtbaren
Zonen des Landes, die besseren Weideplätze oder die Kontrolle der
Handelsrouten. Jeder Clan oder Stamm musste seine kargen Felder und Weiden
verteidigen. Dazu kamen immer wieder Flüchtlinge aus Indien oder Tibet,
die sich vor den Mongolen oder den Mogul-Herrschern in das abgelegene Bergland
zurückzogen und nun ihrerseits mit den Alteingesessenen um die wenigen
Ressourcen kämpfen mussten.
Einige dieser Flüchtlinge, die zur indischen Kriegerkaste der Rajputen
gehörten, erkämpften sich ein winziges Königreich mit dem
Namen "Gurkha" (eigentlich "Gorkha"). Unter ihrem besonders energischen
und grausamen Herrscher Prithvi Narayan Shah (1742-1775) gelang es den
Gurkhas dann in einem 25jährigen Krieg das ganze Kathmandu-Tal nach
und nach zu erobern. Danach dehnten sie ihren Herrschaftsbereich weiter
aus. Die unterworfenen Völker und Stämme wurden in das neue Königreich
integriert, wobei die Gurkhas viel von deren Kultur übernahmen, allerdings
blieb ihre dem Hindi verwandte Sprache zur einzigen Amtssprache und der
Hinduismus zur Staatsreligion.
Nachdem die nepalesischen Stämme vereinigt waren, fiel ihr Blick
automatisch auf die fruchtbare Gangesebene, die alles zu bieten hatte,
woran es ihnen mangelte. Sie unternahmen erste Raubzüge. Doch dabei
trafen sie auf die britische East India Company, die sich zu dieser Zeit
zwar noch nicht ganz Indien einverleibt hatte, aber zielstrebig von Bengalen
am Gangesdelta den Fluss entlang ins Landesinnere vorstießen. Die
Briten hatten erfolgreich die Franzosen aus Indien vertrieben und auch
den Widerstand der mächtigsten einheimischen Herrscher gebrochen.
Sie waren deshalb nicht bereit, mit einem neuen Mitspieler ihre Beute zu
teilen. 1814 schickten sie eine große Armee von 22.000 Mann in mehreren
Kolonnen nach Nepal um den Gurkhas eine Lehre zu erteilen. Doch daraus
wurde nichts. Die Gurkhas lieferten den weit überlegenen Briten einen
erbarmungslosen Kampf um ein unwichtiges Grenzfort, und als sie schließlich
die zerschossenen Trümmer räumen mussten, hatten die Briten wesentlich
schwerere Verluste als sie. Die Strafexpedition endete als Fehlschlag;
auch die nächste im folgenden Jahr führte zu keinem Ergebnis.
Erst in einer dritten 1816 gelang es die Gurkhas in einer offenen Feldschlacht
zu schlagen, so dass diese um Frieden baten.
Die East India Company behandelte sie entgegen ihren Gepflogenheiten
sehr gnädig und begnügte sich mit ein paar Grenzprovinzen. Das
war nicht weiter erstaunlich, denn in Nepal gab es ohnehin nicht viel zu
holen, und auf der anderen Seite lag das unermesslich reiche Indien, das
erst noch unterworfen werden musste. Bei der Eroberung Indiens waren die
Briten schon lange dazu übergegangen hauptsächlich einheimische
aber europäisch ausgebildete Truppen so genannte "Sepoys" zu verwenden.
Dabei bevorzugten die Briten jene Völker, die sie als "martial races"
(kriegerische Rassen) bezeichneten. Von den Gurkhas waren die Werber natürlich
sofort tief beeindruckt und begannen deshalb noch während des Krieges
mit der Rekrutierung in Gefangenenlagern. Da auch die Gurkhas Kampfkraft
und Disziplin der britischen Truppen bewunderten, herrschte an Freiwilligen
kein Mangel. Der erste Werbeoffizier, der ein Gefangenenlager aufsuchte,
berichtete begeistert: "Ich ging alleine hin und kam mit 3.000 Mann zurück."
Im Friedensvertrag mit Nepal wurde den Briten dann das Recht eingeräumt,
in Nepal Söldner zu werben. Der kleine Staat konnte dadurch nicht
nur einen Teil seiner kriegslustigen Bevölkerung mit einer Beschäftigung
versorgen, sondern erhielt auch wertvolle Devisen und moderne Waffen, wurde
aber vor allem zum Partner einer Großmacht, die in der Not seine
Grenzen garantieren konnte. Am Anfang wurden drei Regimenter aufgestellt,
die alle lediglich aus einem Bataillon mit jeweils acht Kompanien zu 120
Mann bestanden. Die Gurkhas schlugen sich gut in den verschiedenen Kriegen
gegen die Mahratten (1817/18) und die Sikhs (1845/46), in denen die East
India Company ihre letzten Konkurrenten um die Vorherrschaft auf dem Subkontinent
beseitigten. Ihre Hauptbeschäftigung bestand aber in der Banditenjagd
und der Grenzsicherung. Sie unternahmen Patrouillen auf den endlosen Landstraßen
oder dienten als Garnisonen in entlegenen Bergforts an der afghanischen
Grenze. Dabei galten sie sicher als besonders zuverlässiger Truppenteil,
unterschieden sich aber nur wenig von den anderen Kolonialtruppen.
Dies änderte sich mit dem Sepoy-Aufstand von 1857, der auch die
Herrschaft der East India Company beendete - von nun an übernahm die
britische Regierung selbst die Herrschaft. Die Ursachen der Aufstandes
lagen in der Arroganz und brutalen Ausbeutung der Briten, auch wenn die
mit Kuh- oder Schweinefett eingeriebenen Patronenhülsen vielleicht
ein konkreter Auslöser waren. Jedenfalls erhob sich der Großteil
der einheimischen Truppen gegen die britische Herrschaft. Auch viele als
loyal geschätzte Einheiten hieben ihre britischen Offiziere nieder
und schlossen sich den Aufständischen an.
Die Briten mussten durch die von ihnen ausgebildeten Sepoys mehrere
schwere Niederlagen einstecken und konnten erst zum Gegenschlag ausholen,
nachdem aus Großbritannien umfangreiche Verstärkungen eingetroffen
waren. Die Gurkhas blieben ohne Ausnahme loyal und waren gerade in der
Anfangszeit oft die letzte Hoffnung der verzweifelt kämpfenden Europäer.
Aber auch bei der Rückeroberung des Landes besonders bei der verlustreichen
Belagerung von Delhi waren sie meistens an vorderster Front mit dabei -
ein Bataillon soll allein vor Delhi 327 von 490 Mann verloren haben. Trotz
der schweren Verluste wurde der Zahl der Gurkharegimenter während
der Kämpfe von drei auf fünf erhöht. Zum Dank dafür,
dass es die umfangreichen Werbungen erlaubte, erhielt Nepal später
die verlorenen Tieflandprovinzen zurück.
Obwohl sich natürlich auch indische Truppenteile "loyal" (d.h.
gegenüber der Kolonialmacht, nicht gegenüber ihrem Volk) verhalten
hatten, waren die Gurkhas doch die einzigen, die in ihrer Gesamtheit nicht
den geringsten Anlass zum Zweifel gegeben hatten. Zudem hatten sie während
der harten Kämpfe gezeigt, dass sie mindestens so viel leisten konnten
wie europäische Truppen. Der treue und tapfere Gurkha mit seinem großen
Kampfmesser, dem Kukri, wurde in dieser Zeit zu einer Legende. Die Briten
waren nun sogar bereit zu akzeptieren, dass die Gurkhas genau so gute Soldaten
seien wie sie selbst. Das war natürlich mehr als dumme Fehleinschätzung.
Denn während die britischen Kolonialtruppen ein Sammelbecken für
den Bodensatz der Gesellschaft bildeten, wo trotz brutaler Militärstrafen
Disziplinarvergehen, Diebstahl und Desertionen an der Tagesordnung waren,
ist von den Gurkhas vergleichbares nicht bekannt. Sie waren einfach viel
zu gerne Soldat, als dass es zu solchen Problemen hätte kommen können.
So existiert zum Beispiel kein Bericht, dass ein Gurkha jemals ausgepeitscht
worden wäre.
In der folgenden Zeit wurde die Grenzsicherung wieder zur Hauptaufgabe
der Gurkhas. Hier war es vor allem die wilde Nordwestgrenze wo gegen Paschtunen
und Pathanen ein permanenter und äußerst grausamer Kleinkrieg
geführt wurde. Ein Regiment diente dort bis zur Unabhängigkeit
Indiens, also gut 90 Jahre! Dazu kamen immer mehr Aufgaben als Polizei-
und Ordnungstruppe, wozu die Gurkhas wegen ihrer freundlichen und ausgeglichenen
Art als besonders geeignet galten. Ab 1890 rekrutierte deshalb auch die
Polizei von Assam und von Burma Gurkhas. Gegen Ende des Jahrhunderts wurden
dann die Regimenter nach und nach auf zwei Bataillone verstärkt.
Es versteht sich von selbst, dass bei diesem Bedarf die Rekrutierung
organisiert werden musste. Ein gewisses Problem ergab sich aus der Tatsache,
dass Ausländern die Einreise nach Nepal verboten war. Denn der König
hatte in weißer Voraussicht einmal festgestellt: "Zuerst kommt die Bibel,
dann die Handelsstation, dann die Kanonen." Bislang hatte jedes Bataillon
verdiente Unteroffiziere zurück in die Heimat geschickt, wo sich dann
in ihren Dörfern Freiwillige warben. Oft brachten auch Soldaten vom
Heimaturlaub Verwandte und Freunde mit. Es konnte auch vorkommen, dass
sich die diplomatischen Beziehungen zu Nepal verschlechterten, dann mussten
die Rekruten geschmuggelt werden. Um den Nachschub besser zu organisieren
errichteten die Briten schließlich einen Depot in Gorakhpur (Uttar
Pradesh) als zentrale Anlaufstelle. Dort fanden sich dann auch viele Freiwillige
auf eigene Faust ein. Da bestimmte Stämme bei der Rekrutierung bevorzugt
wurden, kam es nicht selten vor, dass einige der Freiwilligen ihre Namen
änderten. Manchmal geben sich sogar Inder, Sikhs und sogar Gurkhas
aus.
Dennoch kamen viele Gurkhas nicht nur aus den selben Stämmen und
Dörfern, sondern sogar aus den selben Familien. Oft folgte der Sohn
dem Vater. Der Fremdendienst galt als äußerst ehrenwerte Tradition,
und die Heimkehrer genossen in ihren Dörfern ein hohes Ansehen. Viele
wurden sogar Bürgermeister. Zu erlaubte ihnen sogar die bescheidene
Pension in der Heimat einen gewissen Wohlstand. Später gründeten
Ex-Soldaten auch gerne Grundschulen in ihren Dörfern, um etwas Zivilisation
in diese abgelegenen Winkel zu bringen. Sie brachten den Kindern aber vor
allem militärischen Drill bei. Ein Besucher, der eine solche Schule
besuchte und nach Lesen und Schreiben fragte, erhielt von dem alten Soldaten
die Antwort: "Solches Zeug ist hier von keinem Nutzen. Alles, was diese
Kinder brauchen, ist Disziplin."
Für die meisten Rekruten aus den unglaublich armen Bergdörfern
war die Armee ein Ort des Luxus und Wohlstandes. Bereits das erste Essen,
das sie im Depot erhielten, war für einige reichlicher als alles,
was sie jemals gesehen hatten. Dazu kamen Decken, Jacken, Besteck und viele
andere nützliche Dinge. Geld und Gewinn waren somit für die Gurkhas
sicher wichtige Motive um sich anwerben zu lassen. Dennoch stößt
man wie bei vielen anderen Söldnern auch bei ihnen auf eine Mischung
verschiedener Beweggründe. Es ging nicht nur ums Geld. Sie wollten
tapfer sein, Abenteuer erleben und zeigen, dass sie Männer von Ehre
waren.
Der Militärdienst war normalerweise die einzige Möglichkeit,
der engen Heimat zu entfliehen und etwas von der Welt zu sehen. Ein Gurkha-Hauptmann
beschreibt diese "Verlockungen des Südens": "There ist he glittering
life of trains, cars, boats, studded by brilliant electric lights; of buildings
taller than the forest trees, teeming with busy men, women and children
all withing to get somewhere; of bazaars and markets which never shut,
hotels and women of doubtful virtue, thieves murderers and Lord Sahibs
in sprawling palaces veiled by succulent fruit trees...". Ein alter Veteran
in Nepal formulierte es in einfacheren Worten: "I was a simple man. I knew
nothing. But now I have travelled and met people and I can talk and think
and understand better". Man kann sich leicht vorstellen, dass die Wikinger,
die nach Byzanz zogen, oder die Schweizer, die aus ihren Alpentälern
aufbrachen, ähnlichen Träumen folgten.
Unter diesen Umständen gab es fast immer mehr als genug Freiwillige.
Die Briten konnten sich deshalb eine strenge Auswahl erlauben. Das Maximalalter
lag zwar bei 23 Jahren, dennoch wurden die meisten Rekruten mit 17 eingestellt.
Dazu kam, dass es in Nepal viele chronische Krankheiten wie Tuberkulose
oder Lepra gab, was zur Ausmusterung führte. Für die Abgelehnten
war dies eine furchtbare Enttäuschung. Manche waren über Wochen
gewandert, um Depot zu erreichen. Außerdem galt es als große
Schande zu Hause, nicht angenommen zu werden.
Die meisten Gurkhas holten ihre Frauen aus der Heimat nach. Da die Ehen
in Nepal normalerweise bereits in jungen Jahren von den Familien arrangiert
wurden, waren Heiraten mit Inderinnen die Ausnahme. So lange aber in Nepal
die Polygamie erlaubt war, ließen diejenigen, die sich zwei Frauen
leisten konnten, die ältere zu Hause und nahmen die jüngere mit.
Die in den Garnisonen geborenen Söhne hießen "line-boys" und
wuchsen praktisch automatisch in den Soldatenberuf hinein. Allerdings wurden
sie nicht so gerne genommen, da sie als verweichlicht galten. Sie hatten
immer ausreichend zu essen bekommen und waren zur Schule gegangen; allein
deshalb betrachtete man sie nicht mehr als echte Gurkhas. Oft mussten sie
dennoch eingestellt werden, um ihre Vätern nicht zu beleidigen. Wenn
es zu viele waren, ließen sie die Rekrutierungsoffiziere dann vom
Arzt ablehnen. Dadurch konnten Väter ihr Gesicht wahren und der Ehrverlust
hielt sich in Grenzen.
Abgesehen von den letzten beiden Kriegen gegen Afghanistan, in denen
auch Gurkhas zum Einsatz kamen, den Scharmützeln an der Nordwestgrenze
und der Jagd auf Banditen bot Indien nach dem Sepoy-Aufstand jedoch nicht
viele Gelegenheiten für große Heldentaten und Abenteuer. Im
wesentlichen beschränkte sich das Leben in den Garnisonen auf Routinedienst,
Patrouillen, Appelle und Paraden. So gesehen ist es verständlich,
dass der Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor allem Freude und Erwartungen
unter ihnen auslöste. Natürlich hatten sie absolut keine Vorstellung
von dem, was auf sie zukommen sollte. Von Europa hatten nur die allerwenigsten
eine geographische Vorstellung, und dort sollten sie, die ja aus einem
absolutistischem Königreich kamen, für die Demokratie kämpfen.
Aber das war für sie nicht so wichtig; als professionelle Soldaten
kämpften sie in allererster Linie für die Ehre ihrer Bataillone
und Regimenter.
Es gibt nun eine ganze Reihe von Geschichten über die Heldentaten,
die sie unter anderem in Flandern vollbrachten. Obwohl kein Zweifel besteht,
dass sie sich mit gewohnter Tapferkeit und Selbstaufopferung schlugen,
ist sich die modernere Geschichtsschreibung (auch die britische) darin
einig, dass der Einsatz der Gurkhas an der Westfront ein absolutes Desaster
war. Wie das gesamte indische Korps wurden sie bei den schlecht geplanten
britischen Angriffen verheizt, und es macht wenig Sinn diese erbärmliche
Geschichte durch eine Auflistung ihrer Heldentaten zu verklären. Gleich
bei ihrer Ankunft im Oktober 1914 musste man feststellen, dass sie für
die gebauten Gräben zu klein waren. Sie vertrugen das Essen nicht,
und die Briten mussten extra Reis aus Indien heranschaffen lassen. Auch
der moderne Krieg mit Artillerie und Gas war ihnen völlig fremd. Dementsprechend
waren sie selbst völlig unzureichend mit Maschinengewehren und Granatwerdern
ausgerüstet. Am schlimmsten war für sie aber das ungewohnte Klima,
die feuchte Kälte Flanderns. Regen, Kälte und Schlamm setzten
allen Truppen hart zu, aber unter den Gurkhas forderten sie besonders viele
Opfer. Nach 13 Monaten hatte auch der Generalstab ein Einsehen und das
indische Korps wurde von der Westfront abgezogen
Erfolgreicher war ihr Einsatz gegen die Türken in Mesopotamien.
Hier kamen sie besser mit dem Klima zurecht und es kamen wesentlich weniger
moderne Waffen zum Einsatz. Doch auch hier mussten sie schwere Verluste
hinnehmen. Als bei Kut-el-Amara ein britisches Kontingent kapitulierte,
kamen auch viele Gurkhas in Gefangenschaft, wo Tausende elend in den Lagern
umkamen. Auch bei Landung auf Gallipoli wurden die Gurkhas an vorderster
Front eingesetzt. Es soll ihnen als einzigen gelungen sein den Türken
einen Hügel (!) abzunehmen. Es nützte nichts. Das ganze Unternehmen
scheiterte an der schlechten Organisation und am Kompetenzgerangel zwischen
Heer und Marine.
Im Zweiten Weltkrieg zögerten die Briten dann lange, bevor sie
auf das Menschenreservoir Indiens und Nepals zurückgriffen. Das lag
hauptsächlich daran, dass ein Erstarken der Unabhängigkeitsbewegung
befürchtete. Und so wurden die Angebote des Königs von Nepal
erst einmal dankend abgelehnt, bis schließlich 1940 10 neue Gurkha-Bataillone
aufgestellt wurden. Sie dienten, wie es ein General ausdrückte in
"high wastage roles", also als Kanonenfutter dort, wo sehr hohe Verluste
zu erwarten waren. So kämpften sie in Nordafrika, in Italien (Monte
Cassino), Griechenland und natürlich in Burma, wo sie 1942 an dem
katastrophaler Rückzug teilnehmen und dann bei der Rückeroberung
einige ihrer berühmtesten Schlachten (Kohima und Imphal) schlugen.
Ohne den heldenhaften Einsatz der Gurkhas hätten die Japaner möglicherweise
sogar Indien überrannt, und so hatten sie wieder einmal das Kronjuwel
der britischen Kolonien gerettet.
Doch der Krieg gegen Japan sollte das Schicksal der Gurkhas grundlegend
verändern. Bei der Kapitulation Singapurs waren ungefähr 45.000
Inder und Gurkhas in Gefangenschaft gekommen. Unter diesen Gefangenen begannen
die Japaner recht bald mit Werbungen für die Indischen Nationalarmee
(INA.) unter Chandra Bose. Etwa 20.000 Inder wechselten die Fronten. Auch
die Gurkhas waren harten Repressalien ausgesetzt, um sie für die "asiatische",
d.h. japanische Sache zu gewinnen. Allerdings blieben alle Schikanen und
Versprechungen ohne Erfolg. Nur ein einziger Gurkha soll in die INA. eingetreten
sein - ein Line-Boy wie betont wurde.
Beim Militär wird Treue zumindest manchmal belohnt, Verrat dagegen
unerbittlich bestraft. Nun konnten die Briten aber nicht mehr - Kitchener
hatte da beim Sepoy-Aufstand noch keine Probleme - tausende Deserteure
hinrichten lassen. Zudem wurden diese jetzt von den Massen als Volkshelden
gefeiert; die Gurkhas standen dagegen plötzlich als Kollaborateure
da. Also beschränkte sich die Anklage auf drei der 3 Anführer
- einen Hindu, einen Moslem und einen Sikh. Doch dann setzte sich Nehru
für die Angeklagten ein und es kam zu Massendemonstrationen. Letzten
Endes wurden sie deshalb nur aus der Armee ausgeschlossen, was ihre Popularität
nur noch steigerte. Einer wurde später sogar Minister. Das Empire
war nicht mehr, was es einmal gewesen war.
Als sich die Demonstrationen jedoch weiter ausweiteten und es auch zunehmend
zu gewalttätigen Angriffen auf Briten kam, beschlossen diese recht
schnell das Land zu räumen. Nachdem bereits Anfang 1946 klar war,
dass die Briten Indien verlassen würden, gingen die Angriffe auf diese
zwar schnell zurück, dafür fielen jetzt die verschiedenen Religionsgruppen
übereinander her. Es kam zu ersten Massakern, durch die dann sofort
die Vergeltung der anderen Partei provoziert wurde. Die Unabhängigkeit
Indiens im August 1947 und die geplante Teilung des Landes steigerte die
Gemetzel nur weiter. Denn nun wollte jede Gruppen Tatsachen schaffen. Ganze
Züge mit Flüchtlingen wurden massakriert, Frauen und Kinder in
Stücke gehackt. Bei diesen "Unruhen" sollen in einem Jahr mehr Menschen
als in allen britischen Schlachten des Zweiten Weltkrieges umgekommen sein.
Polizei und Armee sahen dabei meist tatenlos zu, wenn die Angehörigen
ihrer Volkgruppe sich an der anderen vergriffen. Nur die Gurkhas bewährten
sich in dieser Zeit als Polizeitruppe. Allerdings waren sie viel zu wenige.
Bei diesem Chaos blieb lange unklar, was eigentlich aus den Gurkhas
werden sollte. Das hatte auch große Auswirkungen auf die Gurkhas
selbst. Sie hatten hart gegen die Japaner um Indien gekämpft und dabei
große Opfer gebracht. Nun fühlten sie sich verraten und von
den Briten im Stich gelassen. Sie hatten den Eindruck, dass diese wie Ratten
das sinkende Schiff verließen. Sie dagegen hatten dem Empire seit
Generationen treu gedient und wurden jetzt einfach dem Chaos überlassen.
Ihr Bild der weißen Übermenschen bekam schwere Risse. Schließlich
einigte sich Großbritannien mit Indien. Von den 27 Bataillonen sollten
8 in britischen Diensten bleiben; den Rest wollte Indien übernehmen.
Die Mehrheit der Gurkhas bevorzugte den Dienst in Indien, da ihnen dort
die Lebensverhältnisse vertraut waren. Am Ende wurden die Einheiten
aber willkürlich verteilt; lediglich die Offiziere konnten wählen,
wo sie dienen wollten. Großbritannien und Indien vereinbarten auch,
nie Gurkhas gegeneinander einzusetzen, wozu es bislang nicht gekommen ist.
Sie hatten aber auch festgelegt, die Gurkhas nie gegen andere Hindus oder
Zivilisten einzusetzen - beide Länder haben diese Vereinbarung inzwischen
gebrochen.
In indischen Diensten kämpften die Gurkhas in den Kriegen gegen
Pakistan, bei der Invasion von Hyderabad, in Kaschmir gegen die Chinesen
und bei mehreren UN-Missionen, wovon die bekannteste sicher ihr Einsatz
gegen die weißen Söldner im Kongo 1961 war. Die Briten verlegten
ihre Gurkhas Anfang 1948 nach Malaysia, wo chinesische Kommunisten einen
Guerillakrieg führten. Die Operationen im Dschungel waren äußerst
schwierig und langwierig. Tausende Stunden Patrouille waren notwendig um
einen Gegner zu sehen, und noch viel mehr um einen zu töten. Dennoch
machten die Gurkhas ihre Arbeit gut und trugen wesentlich dazu bei, den
Revolutionsversuch niederzuschlagen. Dennoch hatten sie wenig davon. Denn
das Land war nur wenige Jahre beruhigt, als Malaysia 1963 unabhängig
wurde.
Mit der Unabhängigkeit von Malaysia begann der Streit um Sarawak
(Nordborneo), das als ehemalige britische Kolonie Teil von Malaysia werden
sollte aber gleichzeitig von Indonesien beansprucht wurde. Drei Jahre verteidigten
Gurkhas und britische SAS die Grenzen in einem mühsamen Dschungelkrieg
gegen die Einfälle indonesischer Truppen, nur um dann auch Malaysia
räumen zu müssen. In dieser Zeit retteten sie auch in einer Blitzaktion
den Thron des Sultans von Brunei (einer kleinen Enkklave von Sarawak),
der von ein paar Revolutionären bedroht worden war. Dieser eigentlich
äußerst unbedeutender Einsatz hatte zumindest für die Gurkhas
weitreichende Folgen. Brunei ist einer dieser Staaten, die ihre Existenz
allein einer gigantischen Öllagerstätte unter ihrem winzigen
Territorium verdanken. An Geld fehlt es also nicht, und so bezahlt der
Sultan bis heute die Stationierungskosten für ein Bataillon Gurkhas,
das sozusagen seine Palastgarde bildet. Es gilt auch als sicher, dass er
mindestens dieses Bataillon in seine Dienste übernehmen wird, falls
sich die Briten einmal zur Auflösung ihre Gurkha-Einheiten entschließen
sollten.
Nach dem Abschluss der Entkolonialisierung hatte aber auch Großbritannien
nicht mehr viel Verwendung für die Gurkhas. Sie dienten hauptsächlich
beim Polizeidienst in Hongkong und bei UN-Missionen. 1963 wurde deshalb
ihre Reduzierung von 14.600 auf 10.000 beschlossen. Viele Offiziere verstanden
nicht, warum aus wirtschaftlichen Gründen ausgerechnet die Gurkhas
reduziert wurden, da sie mit die besten Einheiten stellten und mit Abstand
die billigsten. Aber Regierungen müssen eben auch an die nationalen
Arbeitsplätze beim Militär denken, und so gingen die Reduzierungen
weiter. Ein Bataillon kam dann auch im Falklandkrieg zum Einsatz, allerdings
hatte die Presse solche Horrorgeschichten über die Grausamkeit der
Gurkhas und ihre langen Messer verbreitet, dass sich die argentinischen
Wehrpflichtigen lieber anderen Einheiten ergaben.
Heute dient der größte Teil der Gurkhas in zahlreichen Infanterieeinheiten
der Indischen Armee und nimmt mit diesen an UN-Missionen teil. Auch Großbritannien
verwendet seine verbliebenen Gurkhas bei UN-Missionen und im Irak. Allerdings
lässt sich dabei ein völlig neuer Trend beobachten. Die immer
so genügsamen und treuen Diener werden plötzlich rebellisch;
sie klagen vor Gerichten auf gleichen Sold und Pensionen wie ihre britischen
Kameraden und auf die britische Staatsbürgerschaft. Viele der alten
Söldner möchten heute nach geleisteten Diensten einfach als normale
Immigranten im gelobten Land bleiben.
Das bettelarme Nepal ist dagegen auf den Sold und die Pensionen dringend
als Devisenquelle angewiesen und erlaubt deshalb auch diversen Sicherheitsfirmen
die Rekrutierung. An Freiwilligen herrscht ein solcher Überschuss,
dass alle fremden Werbeoffiziere in der Regel von potentiellen Rekruten
bestochen werden. Unter diesen Umständen beteiligt sich inzwischen
auch der nepalesische Staat - wie einst die deutschen Fürstentümer
- als "Söldnerunternehmer" und vermietet gut ausgebildete Truppen
und Polizeieinheiten für die lohnenden UN-Missionen und hat es dabei
gemessen an seiner Bevölkerungszahl inzwischen zum Hauptlieferanten
gebracht.