Die Geusen kommen ins Geschäft
Kleinvieh macht auch Mist.
Die Franzosen waren die ersten, die ihre Kriege mit Spanien auch in der
neuen Welt austrugen. Da die Engländer unter Heinrich VIII. ein äußerst
dauerhaftes Bündnis mit Spanien gepflegt hatten, folgten sie mehr
als eine Generation später in den 1560er Jahren, als sich die politischen
Konstellationen wieder änderten. Bis zu dieser Zeit waren die Niederländer
oft unter spanischer Fahne in die Kolonien gefahren und hatten an dem schnell
wachsenden Handel gut verdient. Das änderte sich langsam als es 1566
im "Aufstand der Niederlande" zum offenen Bruch zwischen Philipp II. und
den rebellischen Provinzen kam. Zuerst hatten die Niederländer jedoch
andere Probleme; nur mit äußerster Anstrengung konnten sie sich
in Teilen des Landes behaupten. Bereits hier entwickelte sich der Kaperkrieg
zu einer ihrer wichtigsten Waffen.
Die so genannten Geusen oder Geuzen (Geuse bedeutete ursprünglich
Bettler und war ein Schimpfname, den die Spanier ihren zerlumpten Gegnern
gegeben hatten) nutzten die zahlreichen Flussläufe und Kanäle
zu wirkungsvollen Überfällen auf spanische Transporte und Stützpunkte.
Verglichen mit anderen Truppen war der große Vorteil der Geusen jedoch,
dass sie sich meistens selbst finanzierten. Nach den ersten Erfolgen begannen
sie dann damit, ihre Aktivitäten auf den Ärmelkanal und die Biskaya
auszudehnen. Dazu benötigten sie größere, hochseetüchtige
Schiffe, nicht die kleinen wendigen Galeeren, mit denen sie hauptsächlich
in den Kanälen operierten. Da sich jedoch einige ihrer Raubzüge
als äußerst lohnend erwiesen und viele Kaufleute, die nun vom
lukrativen Handel mit den Kolonien ausgeschlossen waren, nach neuen Investitionsmöglichkeiten
suchten, fand das eine zum anderen. Als dann nach 1585 die Spanier zuerst
gestoppt und dann zurückgedrängt wurden, erweiterten auch die
Geusen ihr Operationsgebiet und drangen entlang der Handelsrouten ins spanische
Kolonialreich vor. Dabei kam ihnen zu gute, dass viele niederländische
Seeleute vor nicht allzu langer noch auf spanischen Schiffen gefahren waren.
Im Unterschied zu den französischen und englischen Kapern oder
Piraten, was aus spanischer Perspektive eigentlich alle waren, die sich
in diesen Gewässern aufhielten, konnten die Niederländer nicht
mit der Unterstützung der Krone rechnen. Sie waren immer viel mehr
Unternehmungen risikobereiter Kaufleute und Handelsgesellschaften. Natürlich
mussten auch ein John Hawkins oder ein Francis Drake zu Hause Gewinn abliefern,
um in der Gunst ihrer Kapitalgeber - insbesondere der Königin - zu
bleiben. Dennoch wurden ihre Aktionen wahrscheinlich nie sie komplett vom
Geschäftssinn dominiert wie die der Niederländer. Bei allen Parallelen
waren Engländer und Franzosen oft mehr Abenteurer, die auch Geschäfte
machten, um ihre Abenteuer zu finanzieren. Während die Niederländer
in erster Linie Kaufleute waren, die sich auch in Abenteuer stürzten,
wenn man damit Geld verdienen konnte.
Als das Geschäftliche mehr in den Vordergrund trat, sprach niemand
mehr von Geusen, sondern von ehrbaren Kapitänen und Kaufleuten. Zudem
wurden ihre Taten im Nachhinein oft im Kontext des niederländischen
Freiheitskrieges oder einer glorifiziert. Wir möchten natürlich
nicht abstreiten, dass dieser oft mit viel Idealismus geführt wurde,
dennoch fuhren wohl nur verschwindend wenige nach Übersee, um dort
ihre Heimat zu verteidigen. Die meisten suchten einfach Arbeit als Seeleute,
viele lockten auch die Aussichten auf schnellen Reichtum, und für
einige war es die einzige Möglichkeit, etwas von der großen
weiten Welt zu sehen. Um nicht irgendwelche patriotischen Gefühle
zu verletzen, verzichten wir aber gerne darauf, die niederländischen
Seeleute als "Abenteurer" oder gar als "Söldner" zu bezeichnen. Denn
mit ihnen fuhren genug Ausländer - Franzosen, Engländer, Dänen
und Deutsche - zur See, die eindeutig durch Gewinn oder Abenteuerlust angelockt
worden waren. Einer von ihnen war der schwäbische Wundarzt Andreas
Josua Ultzheimer, für den die Seefahrt - wie übrigens für
viele Süddeutsche - einen ganz besonderen Reiz hatte.
Andreas Ultzheimer wurde 1578 in Heidenheim geboren. Sein Vater war
dort Pfarrer und hatte vier Söhne, von denen Andreas der jüngste
war. Das heißt, die Familie war sicher nicht sehr wohlhabend, aber
die Kinder erhielten trotzdem eine relativ solide Schulbildung. Nachdem
er bei seinem Vater sozusagen die Grundschule absolviert hatte, wurde Andreas
auf die Lateinschule in Ulm geschickt, und dann zu einem Wundarzt, einem
"Veldscherer" in die Lehre gegeben. Während richtige Ärzte ein
teures Studium an einer Universität hinter sich hatten - was nicht
zu bedeuten hatte, dass sie immer viel von ihrem Fach verstanden -, waren
Barbiere oder Feldschere die Männer fürs Grobe. Auf Medikamente
verstanden sie sich selten, statt dessen zogen sie Zähne, ließen
sich Ader, schienten Brüche und amputierten, besonders im Krieg, auch
Glieder.
Am Ende der Lehre begab er sich wie damals üblich auf eine dreijährige
Wanderschaft, um an verschiedenen Orten mehr Berufserfahrung zu sammeln.
Dabei blieb er wahrscheinlich weitgehend im Schwäbischen, sah aber
verschiedene Städte und lernte das unruhige Leben auf der Landstraße
kennen. Es scheint ihm gefallen zu haben, denn als er am Ende bei einem
Wundarzt in Augsburg arbeitete packte ihn eine "besondere Reiselust". Die
einfachste Art andere Länder zu sehen, ganz besonders wenn man kein
Geld hatte, war der Solddienst. Und so trat der achtzehnjährige Ultzheimer
1596 als einfacher Landsknechte in ein Regiment ein, das in Schwaben für
den Türkenkrieg geworben wurde. Zu Fuß zog das Regiment über
Österreich nach Ungarn, wo es dann in relativ schwere Kämpfe
verwickelt wurde. Zuerst wurde die Stadt Kattwan belagert und schließlich
gestürmt. Wenn Ultzheimer zwar nur schreibt, der Sturmangriff habe
neun Stunden gedauert, so kann man sich doch vorstellen, wie blutig das
Gemetzel auf den Wällen und den Breschen gewesen sein muss. Nachdem
sie in die Stadt eingedrungen waren, richteten die Truppen jedenfalls ein
grausames Massaker unter der Bevölkerung an. "Außer einigen
wenigen vornehmen Weibern und Mannspersonen sind fast alle, auch schwangere
und stillende Frauen sowie Kinder, niedergehauen worden, also dass wir
weder Jung noch Alt verschont haben." Bald darauf wurde das Heer von den
Türken zu offener Feldschlacht gestellt, konnte diese aber schlagen.
Als sich die Soldaten jedoch beim Plündern zerstreuten, sammelten
sich die Türken zu einem erfolgreichen Gegenstoß. Die geschlagenen
Reste des christlichen Heers konnten sich nur durch Flucht retten.
Ultzheimer hatte damit bereits in einem Sommer ein paar üble Geschichten
erlebt, scheint aber dennoch daran Gefallen gefunden zu haben. Denn als
das Heer im Winter abgemustert wurde, kehrte er zwar wieder zu seinem
alten Lehrmeister in Ulm zurück, bei dem er über den Winter
arbeitete, aber nur, um im Frühjahr mit dem selben Regiment wieder
nach Ungarn zu ziehen. Auch bei diesem Feldzug wurde wieder eine Stadt
erobert, allerdings verlief das Ganze etwas zivilisierter, da die Türken
gegen freien Abzug kapituliert hatten. Als die Söldner im Winter wieder
entlassen wurden, blieb Ultzheimer in Wien, wo er sich bei einem Wundarzt
eine Stelle suchte. Anscheinend langweilte ihn das Soldatenleben schon
etwas, denn er plante nach Italien zu reisen, um dort seine medizinischen
Kenntnisse zu vertiefen. Vor der großen Reise besuchte er noch einmal
seinen Vater in Gerstetten. Der hielt das offensichtlich für so eine
gute Idee, dass er gleich noch seinen Sohn Johann Cornelius mit auf die
Reise schickte. Das vorläufige Ziel der Brüder war Florenz, wo
dort ein Vetter als "Trabant" in der Leibwache des Großherzogs diente.
Im Frühjahr 1598 machten sie sich auf den Weg. Sie wanderten zuerst
nach Augsburg, von dort weiter nach Innsbruck und dann über den Brenner
nach Trient. Von Verona ging es durch die Poebene bei Ferrara und schließlich
über die Apenninen nach Florenz. Da sie die ganze Strecke zu Fuß
zurücklegten und sicher auch vom Vater nicht allzu viel Geld mitbekommen
hatten, bettelten sie unterwegs um einen "Zehrpfennig" und schliefen nach
Möglichkeit in Scheunen. In Florenz wohnten sie zuerst bei ihrem Vetter,
der ihnen durch seine Stellung am Hof relativ schnell Stellen Garnison
in Livorno besorgen konnte. Cornelius diente dort als einfachen Soldat,
während Andreas jetzt als "Balbierer und Veldscherer" genommen wurde.
Allerdings hatte er das langweilige Garnisonsleben bald satt: "mochte ich
nicht länger auf der bernhaut ligen, sondern trachtete nach anderer
Gelegenheit, weiter zu raißen". Als am Jahresende auf einem friesischen
Schiff im Hafen ein Wundarzt gesucht wurde, nach er seinen Abschied und
musterte an. Das Schiff trieb Handel im Mittelmeer, lud unter anderem Wein
auf Kreta, und fuhr dann zurück nach Amsterdam.
Trotz des langes Krieges war Amsterdam bereits die größte
Hafenstadt Europas, mit der sogar der Erzfeind Spanien - wenn auch unter
der Hand - Handel treiben musste. Waren aus aller Welt wurden hier umgeschlagen,
es gab zahllose Schiffe und Seeleute aus fast allen europäischen Ländern.
Auf den reiselustigen Schwaben muss die geschäftige Stadt einen gewaltigen
Reiz ausgeübt haben. Bereits nach vier Wochen heuerte er als Wundarzt
auf einem holländischen Schiff an, das zusammen mit einem anderen
nach Westindien wollte. Es war eine der üblichen Fahrten, bei denen
je nach Gelegenheit Seeraub mit Handel kombiniert wurde. Bereits bei den
Kanarischen Inseln kaperten sie ein spanisches Schiff. Einem Mönch,
der ein holländisches Psalmbüchlein bei sich hatte, schnitten
sie die Ohren ab, da sie vermuteten, dass es von Überfall auf anderes
holländisches Schiff stammte. Nachdem sie noch einige Zeit erfolglos
versucht hatten, weitere Beute zu machen, beschlossen sie ihr Glück
in der Karibik zu versuchen. Sie liefen die südamerikanische in der
Gegend des heutigen Cayenne an und handelten dort etwas mit den Indianern.
Ultzheimer beobachtete dabei fasziniert ihre Sitten und Gebräuche,
wobei er ihre religiösen Zeremonien natürlich als guter Protestant
als Teufelswerk verurteilte.
Da bei den Indianern jedoch außer etwas Tabak, Früchten und
Papageien wenig zu holen war, fuhren sie weiter nach Trinidad. Aber dort
lebten seiner Aussage nach nur einige verbannte Spanier, die nichts zum
Handeln besaßen. Bessere Geschäfte erwarteten sie bei der Isla
Margarita, wo die Spanier viel Perlfischerei betrieben. Da ihnen die Kolonisten
aber wegen des offiziellen Handelsverbots keine Perlen verkaufen wollten,
beschossen aus Ärger etwas die Stadt und machten sich auf die Heimreise,
bei der sich ihnen noch ein drittes holländisches Schiff anschloss.
Bei den Azoren verloren sie ein Schiff im Sturm, zum Glück konnte
aber die Besatzung unter ihnen Ultzheimer von den anderen gerettet werden.
So kamen sie nach acht Monaten mit "wenig Profit", wie er ausdrücklich
vermerkt wieder in Amsterdam an.
Kurz darauf trat er jedoch eine neue Reise in die Karibik an. Als Handelswaren
wurden Waffen, Textilien, Käse, Kämme, Messingbecken, Maultrommeln
und anderes "Narrenwerk" geladen. Obwohl sich die Spanier von Isla Margarita
weiterhin weigerten mit den Ketzern Geschäfte zu machen, fanden sie
doch einige andere Siedlungen, die ihnen Perlen und Tabak verkauften. Das
lag vor allem daran, dass gerade die Kolonisten in den kleineren Niederlassungen
manchmal jahrelang auf ein spanisches Schiff warten mussten und dann noch
exorbitante Zölle entrichten sollten. Die spanische Regierung bekämpfte
diesen Schwarzhandel erbittert, und verfolgte alle Ausländer in ihren
Gewässern als Piraten. Besonders gut liefen die Geschäfte in
einem abgelegenen Hafen auf Dominica, wo sich die Spanier wenig um die
Verbote scherten. Hier wurden hauptsächlich Rinderhäute geladen.
Anscheinend lohnte sich der Häutehandel, denn sie blieben zehn Monate
dort, und mit der Zeit trafen immer mehr holländische Schiffe ein.
Kurz vor der Rückreise erschien jedoch eine starke spanische Flotte
und es kam zu einem schweren Gefecht, bei dem beide Seiten starke Verluste
hatten. Erst als durch einen Treffer in die Pulverkammer das spanische
Admiralschiffs versenkt wurden, konnten sie sich den Weg freikämpfen.
Nach einigen Wochen in Amsterdam unternahm er seine dritte Reise in
Karibik. Da die Kolonisten anscheinend zur Ordnung gerufen worden waren,
war kein Handel möglich. Es gab inzwischen jedoch eine Alternative.
Kurz zuvor hatten holländische Schiffe die riesigen natürlichen
Salzpfannen bei Punta de Araya - auf dem Festland gegenüber der Isla
Margarita - entdeckt. Für die Fischverarbeitung in den Niederlanden
war Salz ein äußerst wichtiger Importartikel, und so zog die
Lagune bei Punta de Araya jedes Jahr mehr Schiffe an; bald waren es an
die 100 jährlich. Ultzheimer schreibt, dass das Salz unter knietiefem
Wasser wie dickes Eis lag. Mit Hämmern und Stangen wurde es losgebrochen
und mit Schubkarren zu den Schiffen gebracht. Die Spanier waren mit dem
Schutz ihrer Silberflotten völlig ausgelastet und mussten deshalb
tatenlos zusehen. Erst als durch den Frieden mit England 1604 Kräfte
frei wurden, schickten sie eine starke Flotte gegen die Holländer
bei den Salzpfannen. Dabei wurden zahlreiche Holländer getötet
und die Gefangenen erbarmungslos als Piraten hingerichtet. Zum Glück
für Ultzheimer passierte dies aber erst drei Jahre nach seiner Fahrt.
Er hatte anscheinend von der Karibik genug gesehen, denn für seine
nächste Reise heuerte er auf einem Schiff an, das in Brasilien Zucker
kaufen sollte. Das Problem dabei war, dass Portugal zu dieser Zeit mit
Spanien vereinigt war und deshalb mit seinen Kolonien auch kein Handel
getrieben werden durfte. Da sich die Portugiesen jedoch in dieser erzwungenen
Union nicht besonders wohl fühlten, suchten auch sie nach Mitteln
und Wegen, die Gesetze zu umgehen. Ultzheimers Kapitän steuerte deshalb
erst einmal Oporto in Portugal an, wo die halbe Mannschaft durch Portugiesen
ersetzt wurde, "denn wir durften nicht sagen, dass unser Schiff ein holländisches
war". So als portugiesisches Schiff getarnt, natürlich inklusive falscher
Flaggen und Papiere, fuhren sie unbehindert nach Pernambuco, wo sie ein
halbes Jahr blieben und Zucker luden. Ultzheimer nutzte die Zeit, um etwas
von Land und Leuten zu sehen. Er besuchte Plantagen und Zuckermühlen
und übte anscheinend auch bei Bedarf seinen Beruf aus, denn er amputiere
einer Portugiesin ein krankes Bein. Er wunderte sich über die Masse
schwarzer Sklaven aus Angola, die fast alle Arbeiten erledigten. Zumindest
die reichen Portugiesen waren so bequem geworden, dass sie sich meistens
in Sänften tragen ließen.
Man mag diese Fahrten nach Westindien nun für wenig spektakulär
halten: Häute, Salz, Zucker, mit viel Glück ein paar Perlen.
Francis Drake hatte dagegen bereits 1572 Nombre de Dios und 1586 Cartagena
geplündert. Aber was war aus Drakes großartigen Eroberungen
geworden? Sie waren so klanglos verschwunden, wie er selbst und viele seiner
Begleiter, die mit ihm auf seiner letzten Raubfahrt elend an der Ruhr gestorben
waren. Spanien hatte ihn überstanden und die Verluste längst
verschmerzt. Die Niederländer kamen anfangs mit wenigen, oft nicht
besonders gut bewaffneten Schiffen. Aber sie kamen konstant in schnell
wachsender Anzahl. Mehr durch den Schwarzhandel als durch den Seeraub nagten
sie an den Grundfesten des spanischen Weltreichs. Dadurch entstand den
Spaniern gewaltiger ökonomischer Schaden, gleichzeitig wurde eine
neue Infrastruktur geschaffen, auf die sich die späteren wirklich
großen Piraten stützen konnten. Die Niederländer erkundeten
Seewege und Landeplätze und ließen Seeleute zurück. Aber
gerade der schäbige Häutehandel auf den Inseln wurde bald darauf
von den Bukanieren übernommen, die sich auf seiner Basis zu einem
echten Pfahl im Fleisch entwickeln sollten. Die Niederländer bauten
ihre Macht langsam aus. Außerdem fanden sie als kühle Rechner
den Gewürzhandel in Ostindien ohnehin viel attraktiver als die Gerüchte
von den glänzenden Schätzen der Inkas.
Ultzheimer berichtet auch von diesen Unternehmungen. Nach seiner Brasilienfahrt
wollte er anscheinend einen anderen Teil der Welt sehen. Da traf es sich
gut, dass sein alter Kapitän im Auftrag der "Guineischen Compagnie"
zwei Schiffe für eine Fahrt nach Westafrika ausrüstete und für
Ultzheimer wieder als Schiffsarzt Verwendung hatte. An der Goldküste
tauschten sie hauptsächlich Textilien und Metallwaren gegen Gold.
Als dann aber ein niederländisches Kriegsschiff eintraf, entschlossen
sie sich, einen Angriff auf das spanische Fort Commenda zu wagen. Nachdem
sie an Land gegangen waren, sahen sie sich aber plötzlich einigen
tausend Eingeborenen gegenüber, da diese dachten, es ginge gegen sie.
Um dieses Missverständnis auszuräumen wollte der niederländische
General verhandeln. "Denn der General, der sich sehr viel einbildete und
gut schwatzen konnte - deshalb war er auch General geworden - war nicht
der richtige Mann für diese Aufgabe. Denn als er zu den Schwarzen
hinüberging, rief er ihnen paish, paish, paish zu, das heißt
auf Deutsch Frieden, Frieden, Frieden, in dem Glauben, sie würden
wie Kinder oder seine Untergebenen gleich auf seinen Befehl hören
und ihre Waffen niederlegen. Aber sie beachteten seine Narretei ebenso
wenig [...]. So haben die Schwarzen unseren General, samt Hauptmann und Begleitung
ergriffen, die Köpfe abgeschlagen, sie ausgehöhlt und noch ehe
wir von dannen zogen, daraus getrunken," Schreibt Ultzheimer und man merkt
deutlich, dass er für die hohen Offiziere nicht immer allzu viel übrig
hatte. Der folgende Angriff der Eingeborenen konnte dann durch das wohl
gezielte Feuer der Musketiere leicht abgeschlagen werden.
Nach dieser Niederlage versuchten sie ihr Glück zunächst in
Akkra und dann im Königreich Benin. Der König dort war zwar am
Handel interessiert, verlangte aber von den Niederländern zuerst einen
kleinen Söldnerdienst. Ihm fehlte zur Unterwerfung einer rebellischen
Stadt die notwendige Feuerkraft. Die Niederländer stellten ihm zwölf
Mann mit zwei Geschützen zur Verfügung. Gemeinsam mit 1000 Kriegern
zogen sie vor die Stadt. Nachdem sie in einen halben Tag der Tore zusammengeschossen
hatten, stürmten die Krieger die Stadt. Die männlichen Verteidiger
wurden alle erschlagen, Frauen und Kinder dagegen als Sklaven mitgenommen.
"Auch jedem von uns wurde ein Weib gegeben", schreibt Ultzheimer. Anschließend
wurde der Sieg ausgiebig gefeiert und die Niederländer erhielten zum
Lohn eine große Ladung Pfeffer.
Anschließend fuhren sie weiter nach Kamerun, wo sie Elfenbein
gegen Messer und gläserne Korallen tauschten. Auch auf der Rückreise
machten sie immer wieder halt und schlugen ihre letzten Handelswaren los,
wobei die Eingeborenen nach allen Regeln der Kunst betrogen wurden. Bei
den Kanaren konnten sie dann noch zwei spanische Schiffe kapern, von denen
eines Zucker geladen hatte, und Ultzheimer vermerkt stolz: "Nach diesem
sind wir wieder mit reicher Beute heim nach Holland gesegelt." Die Fahrt
hatte sich wahrscheinlich auch für ihn gelohnt, denn er gönnte
sich nun erstmals eine mehrmonatige Pause in Amsterdam.
Seine nächste und letzte Reise sollte auch seine weiteste werden.
Sie führte ihn in das ferne Ostindien, auf das die Niederländer
ihre stärksten Kräfte konzentrierten. Während die Unternehmungen
zwischen Afrika und Südamerika noch weitgehend von einzelnen Kapitäne
und Kaufleuten organisiert wurden, hatte man die für Ostindien bereits
1602 in der OIC (Oost-Indische Compagnie) zusammengefasst. Das lag
zum Teil daran, dass die große Distanz mehr Kapital erforderte und
natürlich auch größere Gewinne brachte, aber auch daran,
dass die Niederländer hier viel schneller konkrete Eroberungen planten.
Ultzheimer segelte deshalb auch Ende 1604 erstmal im Verband einer großen
Flotte los. Bei den Rossbreiten am Äquator hatten sie viele Kranke
durch Fieber und Skorbut, deshalb mussten sie auf St. Helena eine längere
Rast machen, bis sich die Kranken wieder erholt hatten.
Sie umfuhren Afrika und folgten den Handelrouten der Portugiesen, deren
Schiffe und Niederlassungen sie nach Möglichkeit gezielt angriffen.
So kaperten sie vor dem Fort Mocambique eine Karacke mit Elfenbein und
auf dem Weg nach Indien einige indische Handelsschiffe. Goa war ihnen zu
stark befestigt. Also fuhren sie weiter nach Kalkutta, wo sie eine portugiesische
Flotte vertrieben und dafür vom "König" Handelsprivilegien erhielten.
Über Sumatra wandten sie sich dann gegen die Gewürzinseln, die
Molukken. Dort eroberten sie mehrere portugiesische Forts auf Amboina,
Banda und Tidore, die sie entweder zerstörten oder in Besitz nahmen.
Ultzheimer fuhr dann mit dem Großteil der Flotte nach Bantam auf
Java, wo die Niederländer bereits eine große Faktorei hatten.
Dort sammelte die OIC dann neue Kräfte für einen Großangriff
auf Goa, an dem 1607 auch Ultzheimer teilnahm. Aber auch diese mal reichten
die Kräfte nicht. Sie belagerten die Stadt einige Wochen und stürmten
auch mehrmals erfolglos. Dann brachte eine portugiesische Flotte Entsatz
und sie mussten sich einer schweren Seeschlacht zurückziehen. Sie
hatten viele Tote und noch mehr Verletzte, so dass auch Ultzheimer wieder
reichlich Arbeit hatte. "Da ging es an ein Bein abschneiden, und Arm absägen,
daß es zu erbarmen," hatte Wintergerst diese Vorgänge beschrieben.
Niederländer vor einer portugiesisch-spanischen Festung.
Nachdem er insgesamt zwei Jahre in der Garnison von Bantam zugebracht
hatte, machte sich Ultzheimer auf die Heimreise. Im Herbst 1609 war
er glücklich wieder in Amsterdam. Er hatte jetzt genug von der Welt
gesehen und wollte nach 13 Jahren in der Fremde zurück nach Schwaben,
um dort mit seiner großen gewonnenen Erfahrung wieder als Arzt zu
arbeiten. Er kaufte sich ein Pferd und ritt den Rhein entlang über
Köln und Speyer nach Schorndorf, wo sein Bruder Sebastian Schulmeister
war. Später zog er zu seinem Bruder Cornelius, der auch längst
aus Italien zurück war und in Grafeneck ein Stelle als Forstknecht
des Herzogs hatte. Dort heiratete er die Tochter eines anderen Forstknechtes
und ließ sich in Tübingen als Wundarzt nieder.
Ultzheimer war Zeuge der relativ bescheidenen Anfänge der niederländischen
Expansion. Zeigt aber gerade dadurch deutlich, wie diese ständig besser
organisiert wurde und an Kraft gewann. 1624 begannen die Niederländer
mit der Eroberung von Pernambuco und brachten für 20 Jahre ganz Nordbrasilien
unter ihre Gewalt. In Ostindien errichteten sie ein Imperium, das bis ins
20. Jahrhundert bestehen sollte. Bei diesen Eroberungen stieg der Bedarf
an Söldnern gewaltig, so dass noch viele Ultzheimer folgen sollten,
von denen aber nur die wenigsten zurückkamen.