Kriegsreisende

 die Sozialgeschichte der Söldner

Die Geusen kommen ins Geschäft

Kleinvieh macht auch Mist.

Die Franzosen waren die ersten, die ihre Kriege mit Spanien auch in der neuen Welt austrugen. Da die Engländer unter Heinrich VIII. ein äußerst dauerhaftes Bündnis mit Spanien gepflegt hatten, folgten sie mehr als eine Generation später in den 1560er Jahren, als sich die politischen Konstellationen wieder änderten. Bis zu dieser Zeit waren die Niederländer oft unter spanischer Fahne in die Kolonien gefahren und hatten an dem schnell wachsenden Handel gut verdient. Das änderte sich langsam als es 1566 im "Aufstand der Niederlande" zum offenen Bruch zwischen Philipp II. und den rebellischen Provinzen kam. Zuerst hatten die Niederländer jedoch andere Probleme; nur mit äußerster Anstrengung konnten sie sich in Teilen des Landes behaupten. Bereits hier entwickelte sich der Kaperkrieg zu einer ihrer wichtigsten Waffen.

Niederländisches Schiff Die so genannten Geusen oder Geuzen (Geuse bedeutete ursprünglich Bettler und war ein Schimpfname, den die Spanier ihren zerlumpten Gegnern gegeben hatten) nutzten die zahlreichen Flussläufe und Kanäle zu wirkungsvollen Überfällen auf spanische Transporte und Stützpunkte. Verglichen mit anderen Truppen war der große Vorteil der Geusen jedoch, dass sie sich meistens selbst finanzierten. Nach den ersten Erfolgen begannen sie dann damit, ihre Aktivitäten auf den Ärmelkanal und die Biskaya auszudehnen. Dazu benötigten sie größere, hochseetüchtige Schiffe, nicht die kleinen wendigen Galeeren, mit denen sie hauptsächlich in den Kanälen operierten. Da sich jedoch einige ihrer Raubzüge als äußerst lohnend erwiesen und viele Kaufleute, die nun vom lukrativen Handel mit den Kolonien ausgeschlossen waren, nach neuen Investitionsmöglichkeiten suchten, fand das eine zum anderen. Als dann nach 1585 die Spanier zuerst gestoppt und dann zurückgedrängt wurden, erweiterten auch die Geusen ihr Operationsgebiet und drangen entlang der Handelsrouten ins spanische Kolonialreich vor. Dabei kam ihnen zu gute, dass viele niederländische Seeleute vor nicht allzu langer noch auf spanischen Schiffen gefahren waren.

Im Unterschied zu den französischen und englischen Kapern oder Piraten, was aus spanischer Perspektive eigentlich alle waren, die sich in diesen Gewässern aufhielten, konnten die Niederländer nicht mit der Unterstützung der Krone rechnen. Sie waren immer viel mehr Unternehmungen risikobereiter Kaufleute und Handelsgesellschaften. Natürlich mussten auch ein John Hawkins oder ein Francis Drake zu Hause Gewinn abliefern, um in der Gunst ihrer Kapitalgeber - insbesondere der Königin - zu bleiben. Dennoch wurden ihre Aktionen wahrscheinlich nie sie komplett vom Geschäftssinn dominiert wie die der Niederländer. Bei allen Parallelen waren Engländer und Franzosen oft mehr Abenteurer, die auch Geschäfte machten, um ihre Abenteuer zu finanzieren. Während die Niederländer in erster Linie Kaufleute waren, die sich auch in Abenteuer stürzten, wenn man damit Geld verdienen konnte.

Als das Geschäftliche mehr in den Vordergrund trat, sprach niemand mehr von Geusen, sondern von ehrbaren Kapitänen und Kaufleuten. Zudem wurden ihre Taten im Nachhinein oft im Kontext des niederländischen Freiheitskrieges oder einer glorifiziert. Wir möchten natürlich nicht abstreiten, dass dieser oft mit viel Idealismus geführt wurde, dennoch fuhren wohl nur verschwindend wenige nach Übersee, um dort ihre Heimat zu verteidigen. Die meisten suchten einfach Arbeit als Seeleute, viele lockten auch die Aussichten auf schnellen Reichtum, und für einige war es die einzige Möglichkeit, etwas von der großen weiten Welt zu sehen. Um nicht irgendwelche patriotischen Gefühle zu verletzen, verzichten wir aber gerne darauf, die niederländischen Seeleute als "Abenteurer" oder gar als "Söldner" zu bezeichnen. Denn mit ihnen fuhren genug Ausländer - Franzosen, Engländer, Dänen und Deutsche - zur See, die eindeutig durch Gewinn oder Abenteuerlust angelockt worden waren. Einer von ihnen war der schwäbische Wundarzt Andreas Josua Ultzheimer, für den die Seefahrt - wie übrigens für viele Süddeutsche - einen ganz besonderen Reiz hatte.

Andreas Ultzheimer wurde 1578 in Heidenheim geboren. Sein Vater war dort Pfarrer und hatte vier Söhne, von denen Andreas der jüngste war. Das heißt, die Familie war sicher nicht sehr wohlhabend, aber die Kinder erhielten trotzdem eine relativ solide Schulbildung. Nachdem er bei seinem Vater sozusagen die Grundschule absolviert hatte, wurde Andreas auf die Lateinschule in Ulm geschickt, und dann zu einem Wundarzt, einem "Veldscherer" in die Lehre gegeben. Während richtige Ärzte ein teures Studium an einer Universität hinter sich hatten - was nicht zu bedeuten hatte, dass sie immer viel von ihrem Fach verstanden -, waren Barbiere oder Feldschere die Männer fürs Grobe. Auf Medikamente verstanden sie sich selten, statt dessen zogen sie Zähne, ließen sich Ader, schienten Brüche und amputierten, besonders im Krieg, auch Glieder.

Am Ende der Lehre begab er sich wie damals üblich auf eine dreijährige Wanderschaft, um an verschiedenen Orten mehr Berufserfahrung zu sammeln. Dabei blieb er wahrscheinlich weitgehend im Schwäbischen, sah aber verschiedene Städte und lernte das unruhige Leben auf der Landstraße kennen. Es scheint ihm gefallen zu haben, denn als er am Ende bei einem Wundarzt in Augsburg arbeitete packte ihn eine "besondere Reiselust". Die einfachste Art andere Länder zu sehen, ganz besonders wenn man kein Geld hatte, war der Solddienst. Und so trat der achtzehnjährige Ultzheimer 1596 als einfacher Landsknechte in ein Regiment ein, das in Schwaben für den Türkenkrieg geworben wurde. Zu Fuß zog das Regiment über Österreich nach Ungarn, wo es dann in relativ schwere Kämpfe verwickelt wurde. Zuerst wurde die Stadt Kattwan belagert und schließlich gestürmt. Wenn Ultzheimer zwar nur schreibt, der Sturmangriff habe neun Stunden gedauert, so kann man sich doch vorstellen, wie blutig das Gemetzel auf den Wällen und den Breschen gewesen sein muss. Nachdem sie in die Stadt eingedrungen waren, richteten die Truppen jedenfalls ein grausames Massaker unter der Bevölkerung an. "Außer einigen wenigen vornehmen Weibern und Mannspersonen sind fast alle, auch schwangere und stillende Frauen sowie Kinder, niedergehauen worden, also dass wir weder Jung noch Alt verschont haben." Bald darauf wurde das Heer von den Türken zu offener Feldschlacht gestellt, konnte diese aber schlagen. Als sich die Soldaten jedoch beim Plündern zerstreuten, sammelten sich die Türken zu einem erfolgreichen Gegenstoß. Die geschlagenen Reste des christlichen Heers konnten sich nur durch Flucht retten.

Livorno Ultzheimer hatte damit bereits in einem Sommer ein paar üble Geschichten erlebt, scheint aber dennoch daran Gefallen gefunden zu haben. Denn als das Heer im Winter abgemustert wurde, kehrte er zwar wieder zu seinem alten Lehrmeister in Ulm zurück, bei dem er über den Winter arbeitete, aber nur, um im Frühjahr mit dem selben Regiment wieder nach Ungarn zu ziehen. Auch bei diesem Feldzug wurde wieder eine Stadt erobert, allerdings verlief das Ganze etwas zivilisierter, da die Türken gegen freien Abzug kapituliert hatten. Als die Söldner im Winter wieder entlassen wurden, blieb Ultzheimer in Wien, wo er sich bei einem Wundarzt eine Stelle suchte. Anscheinend langweilte ihn das Soldatenleben schon etwas, denn er plante nach Italien zu reisen, um dort seine medizinischen Kenntnisse zu vertiefen. Vor der großen Reise besuchte er noch einmal seinen Vater in Gerstetten. Der hielt das offensichtlich für so eine gute Idee, dass er gleich noch seinen Sohn Johann Cornelius mit auf die Reise schickte. Das vorläufige Ziel der Brüder war Florenz, wo dort ein Vetter als "Trabant" in der Leibwache des Großherzogs diente.

Im Frühjahr 1598 machten sie sich auf den Weg. Sie wanderten zuerst nach Augsburg, von dort weiter nach Innsbruck und dann über den Brenner nach Trient. Von Verona ging es durch die Poebene bei Ferrara und schließlich über die Apenninen nach Florenz. Da sie die ganze Strecke zu Fuß zurücklegten und sicher auch vom Vater nicht allzu viel Geld mitbekommen hatten, bettelten sie unterwegs um einen "Zehrpfennig" und schliefen nach Möglichkeit in Scheunen. In Florenz wohnten sie zuerst bei ihrem Vetter, der ihnen durch seine Stellung am Hof relativ schnell Stellen Garnison in Livorno besorgen konnte. Cornelius diente dort als einfachen Soldat, während Andreas jetzt als "Balbierer und Veldscherer" genommen wurde. Allerdings hatte er das langweilige Garnisonsleben bald satt: "mochte ich nicht länger auf der bernhaut ligen, sondern trachtete nach anderer Gelegenheit, weiter zu raißen". Als am Jahresende auf einem friesischen Schiff im Hafen ein Wundarzt gesucht wurde, nach er seinen Abschied und musterte an. Das Schiff trieb Handel im Mittelmeer, lud unter anderem Wein auf Kreta, und fuhr dann zurück nach Amsterdam.

Trotz des langes Krieges war Amsterdam bereits die größte Hafenstadt Europas, mit der sogar der Erzfeind Spanien - wenn auch unter der Hand - Handel treiben musste. Waren aus aller Welt wurden hier umgeschlagen, es gab zahllose Schiffe und Seeleute aus fast allen europäischen Ländern. Auf den reiselustigen Schwaben muss die geschäftige Stadt einen gewaltigen Reiz ausgeübt haben. Bereits nach vier Wochen heuerte er als Wundarzt auf einem holländischen Schiff an, das zusammen mit einem anderen nach Westindien wollte. Es war eine der üblichen Fahrten, bei denen je nach Gelegenheit Seeraub mit Handel kombiniert wurde. Bereits bei den Kanarischen Inseln kaperten sie ein spanisches Schiff. Einem Mönch, der ein holländisches Psalmbüchlein bei sich hatte, schnitten sie die Ohren ab, da sie vermuteten, dass es von Überfall auf anderes holländisches Schiff stammte. Nachdem sie noch einige Zeit erfolglos versucht hatten, weitere Beute zu machen, beschlossen sie ihr Glück in der Karibik zu versuchen. Sie liefen die südamerikanische in der Gegend des heutigen Cayenne an und handelten dort etwas mit den Indianern. Ultzheimer beobachtete dabei fasziniert ihre Sitten und Gebräuche, wobei er ihre religiösen Zeremonien natürlich als guter Protestant als Teufelswerk verurteilte.

Kaufleute im Hafen Da bei den Indianern jedoch außer etwas Tabak, Früchten und Papageien wenig zu holen war, fuhren sie weiter nach Trinidad. Aber dort lebten seiner Aussage nach nur einige verbannte Spanier, die nichts zum Handeln besaßen. Bessere Geschäfte erwarteten sie bei der Isla Margarita, wo die Spanier viel Perlfischerei betrieben. Da ihnen die Kolonisten aber wegen des offiziellen Handelsverbots keine Perlen verkaufen wollten, beschossen aus Ärger etwas die Stadt und machten sich auf die Heimreise, bei der sich ihnen noch ein drittes holländisches Schiff anschloss. Bei den Azoren verloren sie ein Schiff im Sturm, zum Glück konnte aber die Besatzung unter ihnen Ultzheimer von den anderen gerettet werden. So kamen sie nach acht Monaten mit "wenig Profit", wie er ausdrücklich vermerkt wieder in Amsterdam an.

Kurz darauf trat er jedoch eine neue Reise in die Karibik an. Als Handelswaren wurden Waffen, Textilien, Käse, Kämme, Messingbecken, Maultrommeln und anderes "Narrenwerk" geladen. Obwohl sich die Spanier von Isla Margarita weiterhin weigerten mit den Ketzern Geschäfte zu machen, fanden sie doch einige andere Siedlungen, die ihnen Perlen und Tabak verkauften. Das lag vor allem daran, dass gerade die Kolonisten in den kleineren Niederlassungen manchmal jahrelang auf ein spanisches Schiff warten mussten und dann noch exorbitante Zölle entrichten sollten. Die spanische Regierung bekämpfte diesen Schwarzhandel erbittert, und verfolgte alle Ausländer in ihren Gewässern als Piraten. Besonders gut liefen die Geschäfte in einem abgelegenen Hafen auf Dominica, wo sich die Spanier wenig um die Verbote scherten. Hier wurden hauptsächlich Rinderhäute geladen. Anscheinend lohnte sich der Häutehandel, denn sie blieben zehn Monate dort, und mit der Zeit trafen immer mehr holländische Schiffe ein. Kurz vor der Rückreise erschien jedoch eine starke spanische Flotte und es kam zu einem schweren Gefecht, bei dem beide Seiten starke Verluste hatten. Erst als durch einen Treffer in die Pulverkammer das spanische Admiralschiffs versenkt wurden, konnten sie sich den Weg freikämpfen.

Nach einigen Wochen in Amsterdam unternahm er seine dritte Reise in Karibik. Da die Kolonisten anscheinend zur Ordnung gerufen worden waren, war kein Handel möglich. Es gab inzwischen jedoch eine Alternative. Kurz zuvor hatten holländische Schiffe die riesigen natürlichen Salzpfannen bei Punta de Araya - auf dem Festland gegenüber der Isla Margarita - entdeckt. Für die Fischverarbeitung in den Niederlanden war Salz ein äußerst wichtiger Importartikel, und so zog die Lagune bei Punta de Araya jedes Jahr mehr Schiffe an; bald waren es an die 100 jährlich. Ultzheimer schreibt, dass das Salz unter knietiefem Wasser wie dickes Eis lag. Mit Hämmern und Stangen wurde es losgebrochen und mit Schubkarren zu den Schiffen gebracht. Die Spanier waren mit dem Schutz ihrer Silberflotten völlig ausgelastet und mussten deshalb tatenlos zusehen. Erst als durch den Frieden mit England 1604 Kräfte frei wurden, schickten sie eine starke Flotte gegen die Holländer bei den Salzpfannen. Dabei wurden zahlreiche Holländer getötet und die Gefangenen erbarmungslos als Piraten hingerichtet. Zum Glück für Ultzheimer passierte dies aber erst drei Jahre nach seiner Fahrt.

Zuckermühle Er hatte anscheinend von der Karibik genug gesehen, denn für seine nächste Reise heuerte er auf einem Schiff an, das in Brasilien Zucker kaufen sollte. Das Problem dabei war, dass Portugal zu dieser Zeit mit Spanien vereinigt war und deshalb mit seinen Kolonien auch kein Handel getrieben werden durfte. Da sich die Portugiesen jedoch in dieser erzwungenen Union nicht besonders wohl fühlten, suchten auch sie nach Mitteln und Wegen, die Gesetze zu umgehen. Ultzheimers Kapitän steuerte deshalb erst einmal Oporto in Portugal an, wo die halbe Mannschaft durch Portugiesen ersetzt wurde, "denn wir durften nicht sagen, dass unser Schiff ein holländisches war". So als portugiesisches Schiff getarnt, natürlich inklusive falscher Flaggen und Papiere, fuhren sie unbehindert nach Pernambuco, wo sie ein halbes Jahr blieben und Zucker luden. Ultzheimer nutzte die Zeit, um etwas von Land und Leuten zu sehen. Er besuchte Plantagen und Zuckermühlen und übte anscheinend auch bei Bedarf seinen Beruf aus, denn er amputiere einer Portugiesin ein krankes Bein. Er wunderte sich über die Masse schwarzer Sklaven aus Angola, die fast alle Arbeiten erledigten. Zumindest die reichen Portugiesen waren so bequem geworden, dass sie sich meistens in Sänften tragen ließen.

Man mag diese Fahrten nach Westindien nun für wenig spektakulär halten: Häute, Salz, Zucker, mit viel Glück ein paar Perlen. Francis Drake hatte dagegen bereits 1572 Nombre de Dios und 1586 Cartagena geplündert. Aber was war aus Drakes großartigen Eroberungen geworden? Sie waren so klanglos verschwunden, wie er selbst und viele seiner Begleiter, die mit ihm auf seiner letzten Raubfahrt elend an der Ruhr gestorben waren. Spanien hatte ihn überstanden und die Verluste längst verschmerzt. Die Niederländer kamen anfangs mit wenigen, oft nicht besonders gut bewaffneten Schiffen. Aber sie kamen konstant in schnell wachsender Anzahl. Mehr durch den Schwarzhandel als durch den Seeraub nagten sie an den Grundfesten des spanischen Weltreichs. Dadurch entstand den Spaniern gewaltiger ökonomischer Schaden, gleichzeitig wurde eine neue Infrastruktur geschaffen, auf die sich die späteren wirklich großen Piraten stützen konnten. Die Niederländer erkundeten Seewege und Landeplätze und ließen Seeleute zurück. Aber gerade der schäbige Häutehandel auf den Inseln wurde bald darauf von den Bukanieren übernommen, die sich auf seiner Basis zu einem echten Pfahl im Fleisch entwickeln sollten. Die Niederländer bauten ihre Macht langsam aus. Außerdem fanden sie als kühle Rechner den Gewürzhandel in Ostindien ohnehin viel attraktiver als die Gerüchte von den glänzenden Schätzen der Inkas.

Ultzheimer berichtet auch von diesen Unternehmungen. Nach seiner Brasilienfahrt wollte er anscheinend einen anderen Teil der Welt sehen. Da traf es sich gut, dass sein alter Kapitän im Auftrag der "Guineischen Compagnie" zwei Schiffe für eine Fahrt nach Westafrika ausrüstete und für Ultzheimer wieder als Schiffsarzt Verwendung hatte. An der Goldküste tauschten sie hauptsächlich Textilien und Metallwaren gegen Gold. Als dann aber ein niederländisches Kriegsschiff eintraf, entschlossen sie sich, einen Angriff auf das spanische Fort Commenda zu wagen. Nachdem sie an Land gegangen waren, sahen sie sich aber plötzlich einigen tausend Eingeborenen gegenüber, da diese dachten, es ginge gegen sie. Um dieses Missverständnis auszuräumen wollte der niederländische General verhandeln. "Denn der General, der sich sehr viel einbildete und gut schwatzen konnte - deshalb war er auch General geworden - war nicht der richtige Mann für diese Aufgabe. Denn als er zu den Schwarzen hinüberging, rief er ihnen paish, paish, paish zu, das heißt auf Deutsch Frieden, Frieden, Frieden, in dem Glauben, sie würden wie Kinder oder seine Untergebenen gleich auf seinen Befehl hören und ihre Waffen niederlegen. Aber sie beachteten seine Narretei ebenso wenig [...]. So haben die Schwarzen unseren General, samt Hauptmann und Begleitung ergriffen, die Köpfe abgeschlagen, sie ausgehöhlt und noch ehe wir von dannen zogen, daraus getrunken," Schreibt Ultzheimer und man merkt deutlich, dass er für die hohen Offiziere nicht immer allzu viel übrig hatte. Der folgende Angriff der Eingeborenen konnte dann durch das wohl gezielte Feuer der Musketiere leicht abgeschlagen werden.

Der König von Benin Nach dieser Niederlage versuchten sie ihr Glück zunächst in Akkra und dann im Königreich Benin. Der König dort war zwar am Handel interessiert, verlangte aber von den Niederländern zuerst einen kleinen Söldnerdienst. Ihm fehlte zur Unterwerfung einer rebellischen Stadt die notwendige Feuerkraft. Die Niederländer stellten ihm zwölf Mann mit zwei Geschützen zur Verfügung. Gemeinsam mit 1000 Kriegern zogen sie vor die Stadt. Nachdem sie in einen halben Tag der Tore zusammengeschossen hatten, stürmten die Krieger die Stadt. Die männlichen Verteidiger wurden alle erschlagen, Frauen und Kinder dagegen als Sklaven mitgenommen. "Auch jedem von uns wurde ein Weib gegeben", schreibt Ultzheimer. Anschließend wurde der Sieg ausgiebig gefeiert und die Niederländer erhielten zum Lohn eine große Ladung Pfeffer.

Anschließend fuhren sie weiter nach Kamerun, wo sie Elfenbein gegen Messer und gläserne Korallen tauschten. Auch auf der Rückreise machten sie immer wieder halt und schlugen ihre letzten Handelswaren los, wobei die Eingeborenen nach allen Regeln der Kunst betrogen wurden. Bei den Kanaren konnten sie dann noch zwei spanische Schiffe kapern, von denen eines Zucker geladen hatte, und Ultzheimer vermerkt stolz: "Nach diesem sind wir wieder mit reicher Beute heim nach Holland gesegelt." Die Fahrt hatte sich wahrscheinlich auch für ihn gelohnt, denn er gönnte sich nun erstmals eine mehrmonatige Pause in Amsterdam.

Seine nächste und letzte Reise sollte auch seine weiteste werden. Sie führte ihn in das ferne Ostindien, auf das die Niederländer ihre stärksten Kräfte konzentrierten. Während die Unternehmungen zwischen Afrika und Südamerika noch weitgehend von einzelnen Kapitäne und Kaufleuten organisiert wurden, hatte man die für Ostindien bereits 1602 in der  OIC (Oost-Indische Compagnie) zusammengefasst. Das lag zum Teil daran, dass die große Distanz mehr Kapital erforderte und natürlich auch größere Gewinne brachte, aber auch daran, dass die Niederländer hier viel schneller konkrete Eroberungen planten. Ultzheimer segelte deshalb auch Ende 1604 erstmal im Verband einer großen Flotte los. Bei den Rossbreiten am Äquator hatten sie viele Kranke durch Fieber und Skorbut, deshalb mussten sie auf St. Helena eine längere Rast machen, bis sich die Kranken wieder erholt hatten.

Sie umfuhren Afrika und folgten den Handelrouten der Portugiesen, deren Schiffe und Niederlassungen sie nach Möglichkeit gezielt angriffen. So kaperten sie vor dem Fort Mocambique eine Karacke mit Elfenbein und auf dem Weg nach Indien einige indische Handelsschiffe. Goa war ihnen zu stark befestigt. Also fuhren sie weiter nach Kalkutta, wo sie eine portugiesische Flotte vertrieben und dafür vom "König" Handelsprivilegien erhielten. Über Sumatra wandten sie sich dann gegen die Gewürzinseln, die Molukken. Dort eroberten sie mehrere portugiesische Forts auf Amboina, Banda und Tidore, die sie entweder zerstörten oder in Besitz nahmen. Ultzheimer fuhr dann mit dem Großteil der Flotte nach Bantam auf Java, wo die Niederländer bereits eine große Faktorei hatten. Dort sammelte die OIC dann neue Kräfte für einen Großangriff auf Goa, an dem 1607 auch Ultzheimer teilnahm. Aber auch diese mal reichten die Kräfte nicht. Sie belagerten die Stadt einige Wochen und stürmten auch mehrmals erfolglos. Dann brachte eine portugiesische Flotte Entsatz und sie mussten sich einer schweren Seeschlacht zurückziehen. Sie hatten viele Tote und noch mehr Verletzte, so dass auch Ultzheimer wieder reichlich Arbeit hatte. "Da ging es an ein Bein abschneiden, und Arm absägen, daß es zu erbarmen," hatte Wintergerst diese Vorgänge beschrieben.

Landung Niederländer vor einer portugiesisch-spanischen Festung.

Nachdem er insgesamt zwei Jahre in der Garnison von Bantam zugebracht hatte, machte sich Ultzheimer auf die Heimreise. Im  Herbst 1609 war er glücklich wieder in Amsterdam. Er hatte jetzt genug von der Welt gesehen und wollte nach 13 Jahren in der Fremde zurück nach Schwaben, um dort mit seiner großen gewonnenen Erfahrung wieder als Arzt zu arbeiten. Er kaufte sich ein Pferd und ritt den Rhein entlang über Köln und Speyer nach Schorndorf, wo sein Bruder Sebastian Schulmeister war. Später zog er zu seinem Bruder Cornelius, der auch längst aus Italien zurück war und in Grafeneck ein Stelle als Forstknecht des Herzogs hatte. Dort heiratete er die Tochter eines anderen Forstknechtes und ließ sich in Tübingen als Wundarzt nieder.

Ultzheimer war Zeuge der relativ bescheidenen Anfänge der niederländischen Expansion. Zeigt aber gerade dadurch deutlich, wie diese ständig besser organisiert wurde und an Kraft gewann. 1624 begannen die Niederländer mit der Eroberung von Pernambuco und brachten für 20 Jahre ganz Nordbrasilien unter ihre Gewalt. In Ostindien errichteten sie ein Imperium, das bis ins 20. Jahrhundert bestehen sollte. Bei diesen Eroberungen stieg der Bedarf an Söldnern gewaltig, so dass noch viele Ultzheimer folgen sollten, von denen aber nur die wenigsten zurückkamen.

© Frank Westenfelder  


 
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