Kriegsreisende

 die Sozialgeschichte der Söldner

Die Saqaliba

Der Aufstieg der Sklavensoldaten in al-Andalus.

Beschäftigt man sich mit den Kriegen in Spanien zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert, ist die Bedeutung der Militärsklaven, die fast überall in den Heeres des Islam eine Schlüsselrolle spielten, unübersehbar. In diesem Zusammenhang wurde schon oft die Frage aufgeworfen, warum sich dieses Phänomen hauptsächlich auf den Islam beschränkt. Bereits mittelalterliche arabische Autoren haben von der Dekadenz der erfolgreichen Eroberer gesprochen, die es notwendig gemacht habe, in abgelegenen Regionen unverbrachte, abgehärtete Krieger zu rekrutieren. Einige moderne Historiker betonen, dass viele Moslems bei den internen Kriegen nur ungern gegen ihre Glaubensbrüder kämpften und dieses Geschäft deshalb gerne Ungläubigen überließen. Obwohl beide Thesen sicher nicht völlig von der Hand zu weisen sind, greifen sie unserer Ansicht nach viel zu kurz.

In dem hier untersuchten Zeitraum ließen sich die Araber in Spanien weder von ihrem Glauben noch von ihrem guten Leben davon abhalten äußerst eifrig gegeneinander zu Felde zu ziehen. Man kann sogar zu dem Schluss kommen, dass sie kaum etwas lieber taten. Die großen Feldzüge gegen die Christen im Norden waren bald die Ausnahme, die Regel waren dagegen die internen Kleinkriege und Fehden. Dass Araber und Berber sich in Familien und Clans im Land niedergelassen hatten, förderte diese Tendenz enorm. So berichtet ein arabischer Dichter zum Beispiel von einem siebenjährigen Stammeskrieg in der Gegend von Murcia, der dadurch ausgelöst worden war, dass ein Mudari ein Weinblatt aus dem Weinberg eines Yemeniten "gestohlen" hatte.

Moschee von Cordoba

Neben diesen zahllosen kleinen Fehden kam es aber auch immer wieder zu größeren Kriegen, in denen die verschiedenen Fraktionen der Araber, Berber und Muladis – die konvertierte Bevölkerung – um ihren Anteil an der Macht stritten. Ein Fürst konnte dabei nur auf seinen Clan, seine Familie zählen, jede andere Hilfe musste mit Zugeständnissen teuer erkauft werden. Hatte aber ein Clan die Vorherrschaft erkämpft, war der Fürst auch vor seinen eigenen Familienmitgliedern nicht mehr sicher, von denen fast immer einige danach trachteten ihn zu stürzen oder zu ermorden. Viel zuverlässiger waren da fremde Söldner, die mit den Intrigen im Land nichts zu tun hatten, sondern dem dienten, der sie bezahlte und beschenkte. Am treuesten waren aber die Militärsklaven, die oft schon als Kinder ins Land gekommen waren und ihrem Herrn alles verdankten. Sie waren entwurzelt, isoliert und ohne Familie. Ihre einzige Bindung zur Gesellschaft war die über die Familie ihres Besitzers, zu der sie gerechnet wurden. Es soll zwar vereinzelt vorgekommen sein, dass auch Sklaven ihren Herrn töteten, die Chance von seinem Sohn, Bruder oder Vetter ermordet zu werden lag aber um ein Vielfaches höher.

So lange der Islam jedoch auf dem Vormarsch war, gab es keine Gründe den von Anfang an zahlreichen Militärsklaven besondere Vorrechte einzuräumen. Ständig wurden neue Länder erobert und immense Beute gemacht, so dass fast alle zufrieden gestellt werden konnten. Die Probleme begannen, als die Expansion zum Stillstand kam und es galt das Eroberte zu verteilen. Bereits wenige Jahre nachdem der Vormarsch von den Franken bei Poitiers (732) gestoppt worden war, begann in al-Andalus ein blutiger Bürgerkrieg zwischen der kleinen aber privilegierten arabischen Oberschicht und den Berbern, die die Masse der Soldaten gestellt aber die schlechtesten Ländereien erhalten hatten. Obwohl der große Berberaufstand schließlich mit Hilfe neuer syrischer Truppen niedergeschlagen werden konnte, kam keine Ruhe ins Land. Die Muladis - die Konvertiten - verlangten nun ebenfalls ihren Anteil an der Macht und auch die Mozaraber – die verbliebenen Christen – kämpften um ihre Rechte. Damit nicht genug, begannen auch die arabischen Clans ihre alten Stammesfehden wieder aufzunehmen. Es kam zu ständig wechselnden Koalitionen und al-Andalus stand kurz vor dem Zerfall.

Mitten in diesem Konflikt landete 755 Abd ar-Rahman auf der Halbinsel. Er war der letzte wichtige Führer der Umayyaden, die fast hundert Jahre als Kalifen in Damaskus geherrscht hatten. Nur knapp war er dem Gemetzel entkommen, das die Abbasiden unter seiner Familie in Syrien veranstaltet hatten. Mit wenigen Anhängern war er über Ägypten bis nach Marokko geflohen, wo er bei einem Berberstamm, zu dem seine Mutter gehörte, Zuflucht gefunden hatte. Von Marokko aus nahm er Kontakt mit den Unzufriedenen in al-Andalus auf, von denen sich viele größere Freiheiten von einem landfremden Emir versprachen. Wichtige Unterstützung erhielt er auch von den syrischen Truppen, die kurz zuvor zur Niederwerfung der Berber ins Land gekommen waren, und unter denen seine Familie sehr viele Anhänger hatte.

Der Sieg über den Statthalter der Abbasiden war relativ einfach und Abd ar-Rahman konnte sich bald in Cordoba zum Emir ausrufen lassen. Die richtigen Schwierigkeiten begannen danach, als die Araber merkten, dass der von ihnen ins Land geholte "al-Dajil" (der Immigrant) eine feste Herrschaft errichten wollte. Abd ar-Rahman regierte 30 Jahre, in denen er fast konstant damit beschäftigt war kleine und große Rebellionen niederzuwerfen. Zu seinen härtesten Gegnern wurden gerade die Yemeniten, die ihn anfangs unterstützt hatten. Ein aufständischer Fürst rief sogar die Franken unter Karl dem Großen ins Land, dessen Armee dann aber auf dem Rückzug von den christlichen Basken in Roncesvalles stark dezimiert wurde. Der Glaubenskrieg war zu einer Nebensache geworden, es ging allein darum eine Zentralgewalt zu errichten.

Auf die traditionellen Aufgebote der Stämme konnte sich Abd ar-Rahman dabei nicht mehr verlassen. Er stützte sich deshalb zunehmend auf Berber, die als Söldner in Afrika rekrutiert wurden – seine familiären Verbindungen waren dabei sicher hilfreich. Die neu geworbenen Berber waren tapfere und erfahrene Krieger; vor allen Dingen aber waren sie arm, und so blieben sie Abd ar-Rahman stets treu ergeben, der sie für ihre Dienste entsprechend belohnte. Neben den Berbern begann er aber auch mit der Aufstellung einer persönliche Leibgarde aus Sklavensoldaten. Zu diesem Zweck kaufte er Adligen geeignete Sklaven ab und ließ sie entsprechend ausbilden. Wahrscheinlich handelte es dabei vorwiegend um "Sudan" – um schwarze Sklaven, die in Nordafrika häufig zu finden waren. Man kann aber annehmen, dass auch christliche Kriegsgefangene hier Verwendung fanden.

Bei seinem Tod hinterließ Abd ar-Rahman ein soweit gefestigtes Reich, dass sein Sohn Hisham I. wieder regelmäßig Kriegszüge gegen die Ungläubigen im Norden unternehmen konnte. Hisham regierte nur kurz und erfreute sich großer Popularität, was bedeutete, dass er dem Adel wieder größere Freiheiten ließ. Die Konsequenzen musste sein Nachfolger al-Hakam I. (796-822) ausbaden, der sich fast in seiner gesamten Regierungszeit mit Verschwörungen und schweren Aufständen herumschlagen musste. Zum konstant unzufriedenen arabischen Adel kamen nun noch die immer zahlreicheren Konvertiten – die Muladis – die vor allem in den Städten nach der Macht strebten.

Scharfrichter Al-Hakam I. schlug mit eiserner Faust zurück, er ließ tausende ermorden oder hinrichten und trieb wahrscheinlich noch mehr ins Exil. Einer Verschwörung der Bürger von Toledo kam er dadurch zuvor, indem er einige tausend zu einem Festmahl in den Palast einladen ließ, wo sie dann gleich von seinen Henkern in Empfang genommen wurden. Bald galt er als einer der meistgehassten Tyrannen seiner Zeit. Doch das scheint ihn wenig gestört zu haben. Zum wichtigsten Werkzeug seiner Terrorherrschaft wurde seine Palastgarde aus 3.000 Reitern und 2.000 Infanteristen. Wahrscheinlich befanden sich unter ihnen auch einige freiwillige Söldner aus den nördlichen christlichen Königreichen, die überwiegende Mehrheit bestand aber aus "Mamluk", d.h. Militärsklaven. Das Volk nannte sie "Khurs" (die Stummen), da sie sich nicht mit ihnen verständigen konnten.

Die Herkunft der Khurs ist unsicher; viele Historiker vermuten, dass es sich hauptsächlich um gefangene Galizier und Franken gehandelt habe. Wir sind allerdings der Ansicht, dass sie, falls die Mehrheit eine romanische Sprache gesprochen hätten, vom Volk kaum als "Stumme" bezeichnet worden wären, da Vulgärlatein in der Bevölkerung von al-Andalus zu dieser Zeit noch stark verbreitet war. Es kann also gut sein, dass sich viele Schwarzafrikaner unter ihnen befanden. Man sollte in diesem Zusammenhang auch daran denken, dass Karl der Große kurz zuvor die Sachsen unterworfen hatte und die Wikinger mit ihren Raubzügen in Westeuropa begonnen hatten. Beide pflegten ihre Gefangenen als Sklaven zu verkaufen.

Auch al-Hakams Sohn Abd ar-Rahman II. erbte ein starkes Reich, das sich dann einer langen Periode relativen Friedens und Wohlstandes erfreute. Doch danach ging es schnell bergab. Einzelne Statthalter rebellierten und machten sich selbständig; einige verbündeten sich mit den christlichen Königen im Norden und holten deren Truppen ins Land. Selbst einzelne Mitglieder der Umayyaden erhoben sich gegen die Zentralgewalt. Zu einem regelrechten Flächenbrand entwickelte sich 884 ein großer Aufstand im Süden unter Umar ibn Hafsun. Emir Abdallah (888-912) kontrollierte zeitweilig nur die Umgebung von Cordoba, musste sich mit der Autonomie von ibn Hafsun in Granada abfinden und schließlich sogar die formelle Oberhoheit von Alfons III. von Asturien anerkennen, der ihm dafür Hilfstruppen zur Verfügung stellte. Erst am Ende seiner Regierungszeit gelang es ihm, seine Macht etwas zu festigen, indem er die verschiedenen Fraktionen seiner zahlreichen Gegner gegeneinander ausspielte.

Der Ausbau der Zentralgewalt wurde dann zum wichtigsten Anliegen seines Nachfolgers Abd ar-Rahman III. (912-961), unter dem al-Andalus seine größte Blütezeit erlebte. Abd ar-Rahman III. hatte sicher auch Glück – so befreiten ihn der Tod von ibn Hafsun und ein Bürgerkrieg in León von zwei seiner gefährlichsten Gegner – vor allen Dingen war er aber ein tapferer Mann und ein überaus begabter Politiker, der zielstrebige und hartnäckig seine Ziele verfolgte. Sein mit Abstand wichtigstes Vorhaben war die Entmachtung des einheimischen Adels, ob es sich dabei um Araber, alteingesessene Berber oder Muladis handelte, spielte keine Rolle. Dabei stützte er sich auf Sklaven, die unter ihm in Armee und Verwaltung fast alle entscheidenden Stellen besetzten.

Im Palast und in den wichtigen Ämtern dominierten fremde Eunuchen. Das hatte nur zum geringeren Teil etwas mit der Stellung als Haremswächter zu tun. Viel wichtiger war, dass Eunuchen keine eigenen Familien und Dynastien gründen konnten. Man spricht in diesem Zusammenhang manchmal von einem "Ein-Generationen-Adel". Dazu kam, dass ein Eunuch immer auch eine lächerliche Figur war. Er war dadurch noch viel mehr als die normalen Militärsklaven, ein Fremder und Ausgestoßener in der Gesellschaft. Sie waren deshalb völlig von ihren Herren abhängig und diesen gegenüber absolut loyal. Im Gegenzug erhielten sie Privilegien und Ländereien. Viele Palasteunuchen häuften auf diese Weise große Reichtümer an und besaßen sogar selbst zahlreiche Sklaven.

Eunuchen und Militärsklaven waren zwar auch schon vorher in Cordoba keine Seltenheit gewesen, jetzt aber entwickelten sie sich zu den entscheidenden Institutionen, die nach allen Möglichkeiten gefördert wurden. Abd ar-Rahman III. war in einer Zeit permanenter Adelsverschwörungen und Aufstände aufgewachsen, und fest entschlossen, die Macht des Adels zu brechen. Als ihn  zum Beispiel eine Gesandtschaft von Kaiser Otto dem Großen in Cordoba besuchte - hauptsächlich um Modalitäten des profitablen Sklavenhandels zu besprechen -, ließ Abd ar-Rahman seinem christlichen Kollegen ausrichten: "Euer König ist ein weiser und gewandter Fürst. Allein ich beobachte etwas in seiner Politik, was mir nicht gefällt: nämlich dieses, dass er anstatt die ganze Macht allein in seinen Händen zu behalten einen Teil davon seinen Vasallen überlässt. Er überlässt ihnen seine Provinzen, weil er glaubt, sie dadurch an sich zu ketten. Dies ist ein großer Fehler. Solche Herablassung gegen die Großen kann keine anderen Folgen haben, als ihren Stolz und ihre Neigung zum Aufruhr zu nähren."

Ottos Gesandte bei Abd ar-Rahman Ottos Gesandte bei Abd ar-Rahman

Doch keiner der christlichen Könige in Europa verfügte im 10.Jahrhundert über die Mittel um Söldner über einen längeren Zeitraum zu finanzieren, ganz zu schweigen von Militärsklaven. Al-Andalus war dagegen reich. Es gab Gold- und Silberminen, eine florierende Industrie, den profitablen Orienthandel, und aus Afrika kam das westafrikanische Gold. Man sollte hier nicht denken, dass ein Sklave nach der Anschaffung nicht mehr viel kostete. Ein Militärsklave war in der Regel ein sorgfältig ausgebildeter und privilegierter Elitekrieger, der entsprechend bezahlt wurde. Um es vereinfacht zu formulieren: Im Gegensatz zu normalen Söldnern, die oft nur für einen Feldzug geworben wurden und dadurch Saisonarbeitern ähneln, hatten Militärsklaven eine hoch dotierte Lebensstellung mit entsprechendem Pensionsanspruch. Die Sklaven unter Abd ar-Rahman III. wurden meistens als Kinder gekauft, dann jahrelang in den Lehren des Islam unterwiesen und auf ihre künftigen Ämter vorbereitet. Niemand sprach mehr von den "Stummen"; man lobte ganz im Gegenteil oft ihr hervorragendes Arabisch und ihre literarischen Fähigkeiten.

Die Palast- und Militärsklaven bezeichnete man zu dieser Zeit meistens generell als "Saqaliba", Slawen, womit ihre Herkunft gemeint ist. Viele Historiker schreiben nun, dass unter diesem Begriff nur ursprünglich Slawen zu verstehen seien und er dann später auf alle europäischen Sklaven ausgedehnt worden sei. Dabei wird jedoch nur immer wieder die gleiche Stelle des großen Orientalisten Reinhart Dozy abgeschrieben, der sich als erster Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Problematik befasste. In einer modernen Studie wird dagegen sehr detailliert auf Übersetzungsfehler bei Dozy verwiesen und belegt, dass die arabischen Chronisten sehr deutlich zwischen "Ifranja" (Franken), "Nukabard" (Lombarden), "Jalaliqua" (Galiziern) oder eben heidnischen "Saqaliba" zu unterscheiden wussten. Man kann deshalb davon ausgehen, dass die große Mehrzahl der Saqaliba tatsächlich Slawen waren, zu denen natürlich einige geraubte Galizier, Italiener, Franken und von den Wikingern gekaufte Iren und Sachsen kamen. Nach 1066 entledigten sich die Normannen auch zahlreicher Angelsachsen auf diese Weise.

Besonders deutlich wird dies, wenn man sich ein wenig mit den westlichen Routen des mittelalterlichen Sklavenhandels befasst. Sehr aufschlussreich ist hier schon, dass die Bezeichnungen für "Sklave" in allen westeuropäischen Sprachen (slave, esclave, esclavo, schiavo) von einer Volksbezeichnung stammen und nicht vom lateinischen "servus" oder "serf". Das Abendland war arm, bettelarm, und so erstaunt es nicht, dass Sklaven sein mit Abstand wichtigster Exportartikel waren. Wenn man liest, dass die Wikinger mit Honig, Fellen und blonden Frauen handelten, benötigt man nicht viel Fantasie um zu verstehen, womit sie ihren Hauptumsatz machten. Was konnte man in Europa überhaupt rauben? Die Franken sollen sogar Nägel aus Häusern mitgenommen haben. Es wird zwar auch immer wieder berichtet, dass Klöster geplündert wurden, aber doch nur, weil Mönche schreiben konnten. Außerdem waren auch die meisten Klöster arm. Man raubte hauptsächlich Menschen und verkaufte sie. Nicht nur die Wikinger und Ungarn, alle waren daran beteiligt, soweit es ihre militärischen Machtmittel zuließen.

Slawischer Tempel Mit der Zeit wurde der Verkauf von Christen oder von Landsleuten zumindest teilweise verboten. Also musste man sich mit fortschreitender Christianisierung nach neuen Jagdgründen umsehen, und hier erlangten zur Regierungszeit Abd ar-Rahman III. die Sachsen, von denen kurz zuvor noch selbst viele von den Franken als Heiden versklavt worden waren, schnell eine führende Position. Die Sachsen führten einen permanenten Kleinkrieg gegen die slawischen Stämme jenseits der Elbe, der unter König Heinrich I., dem Vater von Kaiser Otto, einen neuen Höhepunkt erreichte. Heinrich unternahm mehrere erfolgreiche Kriegszüge gegen die Elbslawen, von denen er immer mit zahlreichen Gefangenen zurückkehrte, so dass sich die Städte Magdeburg und Merseburg schnell zu florierenden Zentren des Sklavenhandels entwickelten.

Mehr aber als diese Feldzüge war es der Kleinkrieg, die schnellen Überfälle und Raubzüge, die den Sklavenmarkt mit Nachschub versorgten. Für diese Kämpfe gründete Heinrich aus freigelassenen Mördern und Dieben die berüchtigte "Merseburger Legion" (legione Mesaburiorum), die unter dem Kommando eines gewissen Asik stand. Die Legionäre erhielten zwar auch Siedlungsland, werden sich aber hauptsächlich vom Raub ernährt haben. Oft kämpften sie im Bündnis mit slawischen Kleinfürsten – Stammesfehden gab es auch dort genug -, die ihnen dann Hilfstruppen und ortskundige Führer zur Verfügung stellten. Bei diesen Überfällen tief im feindlichen Hinterland wurden die Männer meistens erschlagen, Frauen und Kinder verschleppt und die Alten überließ man einfach ihrem Schicksal.

Um die Abnahme und den Weitertransport der Ware kümmerten sich dann jüdische Händler, die nicht nur hervorragende Beziehungen zu König Heinrich hatten, sondern auch Geschäftsverbindungen bis nach Cordoba – auch Kaiser Ottos Gesandtschaft reiste mit ihrer Hilfe. Für die gefangenen Elbslawen führte die Reise von Magdeburg meistens nach Koblenz und dort über den Rhein. Im Zollverzeichnis heißt es dann: "Judei pro unoque sclavo emptico debent 4 denarios." Die Juden mussten also pro Sklave 4 Denar entrichten. Entlang von Mosel und Maas ging es weiter nach Verdun. In Frankreich besaßen jüdische Kaufleute seit der Zeit Ludwigs des Frommen Privilegien, die ihnen den Kauf und Verkauf von ausländischen Sklaven ausdrücklich gestatten. Belegt ist auch ein gewisser Abraham aus Zaragoza, wodurch die Verbindungen verdeutlicht werden. Verdun war ein großer Umschlagplatz und eine wichtige Zwischenstation für Sklaven; die Juden sollen hier sogar eine regelrechte Eunuchenmanufaktur für den spanischen Markt unterhalten haben. Denn dort brachten Eunuchen sehr viel Geld. Wahrscheinlich wurden aber nur die Jüngsten und Hübschesten auf diese Weise verstümmelt, da man von Palastsklaven ein angenehmes Äußeres erwartete. Bei den künftigen Soldaten sah man davon ab.

Sklavenmarkt in Osteuropa Von Verdun führte man die Sklaven nach Süden über Lyon nach Arles. Oft ging es dann auf dem Landweg weiter über Narbonne nach Barcelona, wo man auch gut am Zwischenhandel verdiente. Viele der für Spanien bestimmten wurden aber von Arles per Schiff nach Almeria transportiert. Andere gingen nach Tunis, Sizilien oder Kairo. Saqaliba benötigte man überall, besonders begehrt waren natürlich exotisch blonde Frauen für die Harems. Sogar Abd ar-Rahman III. selbst hatte wahrscheinlich eine slawische Mutter. Denn er hatte blaue Augen und helle Haare, die er sich färbte, um arabischer auszusehen. Aufgrund seiner guten Handelsbeziehungen zum Abendland erreichte al-Andalus eine Art Schlüsselstellung bei der Versorgung des Orients mit der gefragten Ware. Denn ein arabischer Chronist schreibt: "Der berühmteste Exportartikel der Andalusier sind schöne Sklavenmädchen und -Jungen, die im Land der Franken und in Galizien gefangen wurden, und Saqaliba-Eunuchen." (Auch hier wird übrigens wieder deutlich, dass zwischen Franken, Galiziern und Saqaliba unterschieden wurde).

Es war sicher ein übles Geschäft, aber außer Menschen hatte das Abendland mit seinem chronisch defizitären Außenhandel nun einmal wenig zu bieten. Jeder König verdiente daran, die Grafen der Grenzmarken wurden mächtig und die Städte am Weg florierten. Für den Sklavenhandel lohnten sich selbst die weitesten Wege. Mit der Christianisierung verschoben sich die Zentren dann immer weiter nach Osten. Um 1000 entwickelte sich Prag zu einem Hauptumschlagsplatz, wo sogar arabische Aufkäufer anzutreffen waren. Aus dem Osten trafen Sklaven aus dem entfernten Kiew ein, das durch die Petschenegen vom Schwarzen Meer abgeschnitten worden war. Das bedeutete natürlich nicht, dass Christen völlig sicher waren. In Italien kauften tüchtige Kaufleute hungernden Bauern ihre Kinder ab, und in Prag wurden Juden mit Strafen bedroht, falls sie Tschechen ins Ausland verkauften. Wenn man aber von den Saqaliba zur Zeit Abd ar-Rahman III. (912-961) spricht, sollte man vor allem an die Kriege Heinrichs I. gegen die Elbslawen denken (906, 928, 929) und an die etablierten Handelsrouten.

Nach den schrecklichen Erfahrungen mit Sklavenjägern und –Händlern, den Strapazen der endlosen Reise, betraten die Saqaliba in al-Andalus sicher ein märchenhaftes Reich. Fremdartig verglichen mit ihrer sumpfigen und kalten Heimat, voller imposanter Bauwerke und prächtig gekleideter Menschen. Wahrscheinlich vermissten sie manchmal die grünen Wälder ihrer Heimat und ihre Familien, ihre neue Existenz hatte aber sicher viel mehr zu bieten. Nach ihrer Ausbildung machten sie Karriere in der Verwaltung oder dienten in der Leibgarde des Kalifen - Abd ar-Rahman III. hatte sich mit diesem Titel 919 zum religiösen Oberhaupt des gesamten Islam erklärt. Im Palast und beim Militär gab es natürlich oft Intrigen, bei denen die verschiedenen ethnischen Gruppen – Slawen, Berber, Schwarze, manchmal auch Türken – nach Möglichkeit zusammenhielten, um als "Pressuregroup" die eigenen Interessen zu fördern. Man kann annehmen, dass sich die Saqaliba bei solchen Gelegenheiten gerne ihrer slawischen Dialekte bediente.

Sklavenmarkt Unter Abd ar-Rahman III. bildeten die Saqaliba sicher die einflussreichste Gruppe. Es gab tausende von ihnen, und da er sich ihrer Treue sicher war, besetzte er nach Möglichkeit alle wichtigen Ämter mit ihnen. Das erregte natürlich Neid und Missgunst des arabischen Adels. Dass dies verheerende Folgen haben konnte zeigte die Schlacht bei Simancas 939. Abd ar-Rahman war mit einem großen Heer gegen Ramiro II von León aufgebrochen. Den Oberbefehl hatte Nayda al-Saqlabi erhalten. Verärgert darüber, von einem Mann niedriger Herkunft (einem Slawen) Befehle entgegen nehmen zu müssen, ergriffen die arabischen Adligen mit ihrem Gefolge gleich zu Anfang der Schlacht die Flucht und überließen die Saqaliba ihrem Schicksal. Da die Christen aber auch die fliehenden Araber verfolgten und ihnen schwere Verluste bereiteten, wurde Simancas für sie zu einem triumphalen Sieg. Abd ar-Rahman war es selbst nur ganz knapp gelungen der Gefangennahme zu entkommen.

Zum Glück für Abd ar-Rahman unterschied sich der christliche Adel nur wenig vom arabischen. Einige kastilische Grafen verschworen sich gegen König Ramiro; dieser lud sie zu einem Festmahl und ließ sie enthaupten. Bald war der Bürgerkrieg da und ließ dem Kalifen genug Zeit sein Heer wieder aufzubauen. Danach verwüsteten seine Truppen wieder die Grenzregionen und 951 mussten alle christlichen Herrscher seine Oberhoheit anerkennen. Er selbst begleitete allerdings kein Heer mehr in den Krieg. Das war eine der Lehren, die er aus Simancas gezogen hatte. Den Arabern verzieh er ihren Verrat nie und stützte sich fortan noch mehr auf die Saqaliba.

Verglichen mit Arabern, Berbern und Muladis war die Zahl der Saqaliba sicher gering, dennoch gewannen sie auch unter den nächsten Kalifen ständig an Einfluss. Es war abzusehen, dass sie bei internen Machtkämpfen eine wichtige Rolle spielen würden. Dennoch konnte zu dieser Zeit noch niemand absehen, dass einige von ihnen einmal als selbständige Könige regieren würden.

© Frank Westenfelder  


 
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