Kriegsreisende

 die Sozialgeschichte der Söldner

Die Almogavares, Roger de Flor

Und der Krieg um Sizilien.

Nachdem die Staufer bei Tagliacozzo endgültig geschlagen worden waren und mit Konradin kurz darauf ihr letzter Erbe sein Haupt verloren hatte, ging der Kampf um die Vorherrschaft im Mittelmeer nur in eine neue Runde. Der Sieger Karl von Anjou, der zum Dank für seine Dienste vom Papst ganz Süditalien erhalten hatte, nahm bald darauf die alte normannische Großmachtpolitik wieder auf. Seinen Bruder Ludwig IX. (der Heilige) verleitete er zu dem unglücklichen Kreuzzug gegen Tunis, der Ludwig zwar das Leben kostete, aber Karls politischen Einfluss dort sicherte. Die Hauptrichtung seiner Expansionspolitik zielte aber wie schon die der großen Normannen Robert Guiscard und Roger II. gegen Konstantinopel. Formell trat er das Erbe der letzten Lateinerkaiser an, die 1261 aus Konstantinopel vertrieben worden waren, eroberte Korfu und Durazzo und erklärte sich zum König von Albanien.

Während Karl von Anjou unterstützt vom Papst einen neuen Kreuzzug gegen das Ostchristentum vorbereitete, suchte der griechische Kaiser nach Verbündeten im Westen. Die ersten fand er unter den Ghibellinen Italiens. Vor allem in Süditalien und Sizilien hatten viele Familien, die unter den Staufern Karriere gemacht hatten, Besitz und Einfluss verloren, und auch großen Teilen der Bevölkerung erschien unter der harten Hand der Anjou die alte Stauferherrschaft in einem zunehmend verklärendem Licht. Die radikalsten Ghibellinen waren nach Tunis ins Exil gegangen, wo die meisten als Söldner in den christlichen Milizen der Hafsiden dienten und natürlich weiterhin Rachepläne gegen die Anjou schmiedeten. 1267 organisierte dann der Neapolitaner Corrado von Capece mit dem spanischen Söldnerführer Federico de Castilla zur Unterstützung Konradins die Landung von 800 Italienern, Deutschen, Spaniern und Sarazenen auf Sizilien, was dort tatsächlich einen großen Aufstand auslöste, der erst nach Konradins Niederlage endgültig niedergeschlagen werden konnte.

Die Umtriebe dieser Exilanten waren dann auch einer der Hauptgründe für den Kreuzzug gegen Tunis, mit dem die Hafsiden dazu gezwungen wurden, alle ghibellinischen Verschwörer aus dem Land zu weisen. Der Großteil tauchte jedoch einfach in den katalanischen Milizen unter, andere zogen weiter an den Hof von Aragon, wo sie unter Peter III., einem Schwiegersohn des Stauferkönigs Manfred ebenfalls eine sichere Zuflucht fanden. Nach der Vereinigung mit Katalonien und dem Abschluss der Reconquista hatten die Könige von Aragon ihre Aufmerksamkeit zunehmend auf das Mittelmeer gerichtet. Jaime I. hatte die Balearen erobert, katalanische Handels- und Piratenschiffe drangen immer weiter nach Osten vor, und die meisten Herrscher der kleinen Maghrebstaaten waren von katalanischen Söldnertruppen abhängig. In Nordafrika stießen dann die Expansionsbestrebungen von Aragon und Anjou erstmals aufeinander. Aragon hatte Tunis bereits inoffiziell mit Söldnern gegen das Kreuzfahrerheer unterstützt und sich auch anschließend in Thronstreitigkeiten eingemischt. Als dann Peter III. zu einem großen Kriegszug rüstete, war es nicht klar, ob sich dieser gegen Tunis oder schon direkt gegen Karl von Anjou richten sollte. Durch die Nachrichten aus Sizilien war die Entscheidung gefallen.

die sizilianische Vesper Dort hatten sich 1282 die Sizilianer, vom byzantinischen Gold ermuntert, erhoben. Hervorragend organisiert schlugen sie völlig überraschend am Ostermontag los. Die verhassten Franzosen wurden beim Kirchgang, auf den Straßen und ihren Palästen abgeschlachtet. Wenn sich die Sizilianer nicht sicher waren, machten sie einfach eine Sprachprobe und mordeten nach dem Akzent. Innerhalb kürzester Zeit hatten sie fast die gesamte Insel in ihre Gewalt gebracht. Da jedoch kein Zweifel daran bestehen konnte, dass Karl von Anjou mit aller Macht zurückschlagen würde, wandten sie sich auf der Suche nach einer Schutzmacht an den König von Aragon. Dieser, wahrscheinlich längst über die geplante Verschwörung informiert, nutzte die Gelegenheit, zur Rache für Manfred und Konradin aufzurufen und ganz nebenbei Sizilien seinem Reich einzuverleiben. Im August landete er unter dem Jubel der Bevölkerung mit seinem Heer in Trapani und wurde kurz darauf in Palermo gekrönt.

Da durch die Lehnsfolge niemand dazu verpflichtet war, seinem König in ein solches Abenteuer zu folgen, handelte es sich bei den Truppen, die Peter mit nach Sizilien brachte, ausschließlich Söldner. Natürlich gab es wohlhabende Adlige oder Geschäftsleute, die auf eigene Kosten Männer geworben oder ein Schiff ausgerüstet hatten, doch auch diese betrachteten das als lohnende Investition, die sich durch Beute oder Besitz in Sizilien auszahlen sollte. Diejenigen, die es sich leisten konnten, dienten als schwer bewaffnete Reiter. Aber auch sie kamen nur selten aus alten Adelsgeschlechtern. In den spanischen Grenzgebieten der Reconquista konnte sich fast jeder als Ritter bezeichnen, wenn er nur Pferd und Rüstung besaß. Der Vater des Chronisten Ramon Muntaners zum Beispiel betrieb eine Herberge, angeblich zwar das erste Haus am Platze, aber dennoch war Wirt nicht gerade ein standesgemäßes Gewerbe.

Zu den ritterlich gerüsteten kam eine größere Anzahl leichter Reiter, die sich besonders in den langen Grenzkämpfen mit den Mauren bewährt hatten. Man kann davon ausgehen, dass es sich bei einem guten Teil von ihnen um Araber oder Berber handelte, denn die Könige von Aragon hatten bereits seit längerem Kompanien so genannter "Zenetes" in ihrem Sold, die speziell in Granada oder Nordafrika geworben wurden. Die Männer der Flotte, die wie alle Katalanen lange Erfahrungen in der Seeräuberei hatten, kamen vorwiegend aus den Unterschichten Hafenstädte und ihrem armen Hinterland und galten wie die Genuesen als erfahrene Armbrustschützen. Auch die Ruderknechte gehörten zur kämpfenden Truppe, wobei die Ruderer vom vorderen Teil des Schiffes als eine Art Elite die Enterangriffe anführen mussten. Natürlich wurden die Schiffsbesatzungen bei Bedarf auch an Land eingesetzt.

Den außergewöhnlichsten Teil des Heeres stellten aber einige tausend so genannter Almogavaren. Bei ihnen handelte es sich um eine Gruppe jener unverwüstlichen Krieger, die der Feudalismus inzwischen nur noch in seinen ärmsten Randgebieten rekrutierten konnte. Wie ihre späteren Nachfolger die Uskokken und die Kosaken waren die Almogavaren im Niemandsland während der langen Grenzkämpfe zwischen Moslems und Christen entstanden. Ihre Heimat waren die kargen Berge und Wüsten Aragons, wo sie sicher ein hartes und erbärmliches Leben geführt hatten, bis sie sich darauf verlegten ihre Einkünfte durch Wegelagerei und immer kühnere Raubzüge aufzubessern. Als typische Grenzlandbewohner waren sie nicht nur die ersten Opfer von Überfällen und Vergeltungsaktionen, sondern auch die ersten die als ortskundige Führer und Voraustrupps rekrutiert wurden. Zudem war das umstrittene Niemandsland schon immer eine sichere Zuflucht für Gesetzlose beider Seiten, so dass der Anteil ehemaliger Mauren unter den Almogavaren nicht unerheblich gewesen sein dürfte. Da Sklaven ihre wichtigste Beute waren, und sie sich auch auf diese Weise mit Frauen versorgten, kann man annehmen, dass die meisten einen guten Teil maurischen Blutes in ihren Adern hatten.

Almogaver Mit der Zeit verlegten sich immer mehr auf den Raub, und die Bezeichnung Almogavar leitet sich vom arabischen "mugâwir" ab, womit ein Grenzräuber bezeichnet wurde. Ein zeitgenössischer Chronist beschrieb sie und ihre Lebensweise folgendermaßen: Sie "leben ausschließlich von ihren Waffen, und sie halten sich weder in den Städten noch in den Dörfern auf, sondern in den Bergen und Wäldern. Sie führen täglich Krieg gegen die Sarazenen; sie brechen ein bis zwei Tagereisen weit in sarazenisches Gebiet ein, plündernd und raubend, und schleppen von dort viele Gefangene mit sich und viel anderes Gut. Von dieser Beute leben sie. Und sie ertragen größere Kriegsunbill als alle anderen Leute. [...] Und sie sind sehr kräftige Leute, schnell und leichtfüßig beim Fliehen wie beim Verfolgen". Ihre Kleidung war die von Hirten: Hemden aus Sackleinen, Hosen, Sandalen und Ledergamaschen. Als Waffen verwendeten sie hauptsächlich Wurfspeere und Dolche, und nur manchmal Schwerter und Schilde. Manche trugen an der Stelle von guten Helmen aus Metallbändern geschmiedete Gitter. Proviant führte jeder in einem umgehängten Sack mit sich. Auf diese Weise konnten sich wochenlang in der Einöde von Ziegenkäse und Getreide ernähren und waren schon dadurch vielen Gegnern überlegen. Dennoch war ihr ganzes Erscheinungsbild so armselig, dass die Sizilianer von ihrem ersten Anblick bitter enttäuscht waren: "als sie ihre erbärmliche Kleidung sahen, die Gamaschen an den Beinen, die Sandalen an den Füßen und die Gitter auf ihren Köpfen, riefen sie: Mein Gott! Was für Leute sind denn das, die fast nackt und ohne Wäsche gehen, die nur ein paar Schuhe haben, und noch nicht einmal einen Schild? Nur wenig können wir erwarten, wenn alle Soldaten des Königs von Aragon so sind."

Wenn sich eine Gelegenheit bot, verdingten sich die Almogavaren natürlich gerne als Söldner, schon allein deshalb, da bei einen größeren Kriegszug wesentlich mehr Beute zu machen war, als in dem seit Generationen ausgeplünderten Grenzland. Im Frieden stellten sie ihre Unternehmungen allerdings nicht ein und unterschieden sicher auch nicht mehr ganz genau zwischen Freunden und Feinden, was sicher zu einigen diplomatischen Verwicklungen geführt haben dürfte. Man denke hier nur an die Schwierigkeiten, die die Habsburger wegen der Uskokken mit den Türken und Venedig hatten. Diese Probleme hatten sich gewaltig verschärft, seit Aragon nur noch an kastilisches Gebiet grenzte. Wenn die Almogavaren jetzt maurische Dörfer oder Kaufleute überfielen, so vergriffen sie sich an fleißigen, Steuer zahlenden Untertanen der eigenen Krone oder der von Kastilien. Durch die Ausdehnung der christlichen Herrschaft auf der iberischen Halbinsel, waren die einst geschätzten Grenzkrieger nicht nur überflüssig, sondern zu einem echten Problemfall geworden, und man liegt wahrscheinlich nicht falsch mit der Vermutung, dass der König von Aragon - wie so viele vor und nach ihm - den Krieg nutzte, um eine möglichst hohe Zahl dieser Unruhestifter aus dem Land zu schaffen. Die späteren Ereignisse lassen diesen Verdacht fast zur Gewissheit werden.

Obwohl die Almogavaren ohne die geringste Übertreibung eine üble Bande von brutalen Räubern und Halsabschneidern waren, hat sich ihrer wie in vergleichbaren Fällen die patriotische Geschichtsschreibung bemächtigt. Das würde uns nicht weiter stören, da es sich dabei ja um ein weit verbreitetes Phänomen handelt, wenn sich nicht manche in ihrer Begeisterung dazu hinreißen lassen würden, sie als die "beste Infanterie ihrer Zeit", bezeichneten und dann noch behaupteten, sie hätten als "erste" ein Ritterheer geschlagen - als ob es die Schlachten am  Stirling (1297) und bei Kortrijk (1302) nie gegeben hätte. Bei den großen Zusammenstößen zwischen Frankreich und Aragon, wie der Schlacht bei Muret, der Belagerung von Girona und den Kämpfen in Süditalien, ist dann auch nirgends von einem entscheidenden Angriff der Almogavaren zu lesen. Ihre eigentliche Domäne war der Kleinkrieg, Hinterhalte und Überraschungsangriffe. Mit dieser Taktik und nicht in offenen Schlachten zermürbten sie die französischen Ritterheere vor Girona oder in Kalabrien. Wenn ihnen keine andere Möglichkeit blieb oder die Umstände günstig waren, zögerten sie auch nicht, sich mit Rittern zu schlagen. Bei diesen Gelegenheiten stürzten sie sich dann mit aller Macht auf ihre Gegner und versuchten diese durch wildes Geschrei in Angst und Schrecken zu versetzen. So wird beschrieben wie eine Gruppe von Almogavaren französische Ritter in der Morgendämmerung überfiel. Dabei stürmten sie einen Hang herab und schlugen mit ihren Waffen Funken aus den Steinen, dabei brüllten sie ihren Kampfruf "desperta ferro" (Eisen erwache), so dass die französischen Rittern glaubten, sie hätten es "mit Teufeln zu tun".

Am deutlichsten kommt das archaische Kriegertum der Almogavaren aber vielleicht in ihrem Gefolge zum Ausdruck. Dabei handelte es sich um mehr als den üblichen Tross an Dirnen, Wirten und Händlern, der in jedem Heer anzutreffen ist. Wie die Heere der Völkerwanderungszeit zogen die Almogavaren mit ihren Familien in den Krieg. "Die meisten führten ihre Ehefrauen oder Geliebten und ihre Kinder mit sich," wird berichtet. Man kann also davon ausgehen, dass sie sich zum Teil selbst ergänzten, und es ist auch davon zu lesen, dass Väter mit ihren Söhnen in den Kampf zogen. Zudem nahmen sie wie vergleichbare Formationen immer wieder neue Rekruten auch aus anderen Völkern in ihre Reihen auf. Dadurch waren sie kein kurzfristig geworbener Söldnertrupp, sondern ein Volk, ein Rauborganismus auf der Wanderschaft.

katalanisches Fußvolk Die aus heutiger Sicht jedoch bei weitestem interessanteste Figur ist der Katalane Ramon Muntaner, der nicht nur an dem teilgenommen, sondern auch ausführlich von ihm berichtet hat. In mittelalterlichen Chroniken ist zwar immer mal wieder von Söldnern zu lesen, von den Männern "aus vieler Herren Länder", die "bereit waren böses zu tun". Doch es sind Berichte von Außenstehenden. Muntaner dagegen war einer von ihnen und erzählt ohne Scheu, oft mit geradezu prahlerischer Naivität von ihren Raubzügen und Waffentaten. Die Motivation und die Geisteshaltung mittelalterlicher Krieger wird wohl nirgends so deutlich erkennbar wie in der "Crónica" von Ramon Muntaner. Geradezu ein Leitmotiv ist dabei ihre Beutegier. Da der Krieg zuerst nur zur See geführt wurde, lungerten die Almogavaren gelangweilt auf Sizilien herum. Als von der Flotte immer reichere Beute eingebracht wurde, verlangten sie stürmisch nach einem Feldzug auf dem Festland. Da sich inzwischen die Klagen der Bevölkerung über Plünderungen häuften, war der König froh, die Truppe ins Feindesland nach Kalabrien abschieben zu können. Dort wichen sie größeren Gefechten geschickt aus und führten ihren gewohnten Guerillakrieg mit Hinterhalten, Überfällen und schnellen Raubzügen. Das Land war viel reicher, als die ausgesogenen Grenzgebiete Spaniens und Muntaner schreibt enthusiastisch: "Sie brachten eine gewaltige Beute aus den geplünderten und verbrannten Häusern und Flecken. Und sie brachten soviel Vieh, dass im Heer ein Stier nur noch wegen des Leders getötet wurde und ein Schaf nur noch für die Leber. Man war so reich versehen mit allem Fleisch, dass man nur noch staunte, welch ein Land das war, dass es so viel Vieh zu liefern vermochte, wie dieses Heer verzehrte".

Normalerweise reichte der Sold der einfachen Krieger kaum für die Verpflegung, wenn er überhaupt bezahlt wurde. Wenn ein Krieger also sein Glück machen wollte, konnte er das nur über die Beute erreichen. Sie war deshalb immer das eigentliche Ziel seiner Wunschträume. Doch hier wird erstmals von der ungeheuren Verschwendung berichtet, die mit erfolgreichen Raubzügen einherging. Wie Hunger und Tod war sie ein ständiger Begleiter der Söldner. Wer an die Zukunft, ja nur an Morgen dachte, war ein schlechter Krieger. Und so lebten sie ganz im Hier und Jetzt. Das schnell erworbene Geld zerrann den Söldnern nicht nur zwischen den Fingern, sie verschwendeten es nach allen Regeln der Kunst. Muntaner, letzten Endes auch nur eine naive Kriegsgurgel, berichtet immer wieder begeistert von ihrer Prunk- und Spielsucht und ihrem Prassen und Saufen:
"Da fielen die Almogavaren über sie her und töteten alle, so noch am Lande waren, zu Ross und zu Fuß, dann eilten sie in ihr Lager und machten eine solche Beute, dass Messina seitdem reich war, und die Almogavaren, das brauch ich nicht zu sagen, gingen mit Gulden um, wie sonst mit kleiner Münze."

Über einen anderen Raubzug schreibt er: Sie "schleppten mit sich eine Menge Gold und Silber, Gefäße, Gürtel, Degen, Gold- und Silbermünzen aller Art, Zeuge, Pferde, Maultiere und Zelter, Pferderüstungen, Zelte, Kleidung und Bettwerk, so dass man es gar nicht all hererzählen kann. Kurz, man kann wohl sagen , dass bei keinem Streifzug jemals so reiche Beute gemacht ward an Gold, Silber und anderem Gut. Mit einem Worte, der Geringste, der mit dabei war, machte Beute über die Maßen und man gab damals Gulden aus, wie sonst Pfennige; denn Messina ward zu der Zeit so reich, dass es seitdem nie mehr Arme dort gab." Die Krönung eines jeden Raubzuges war die anschließende Verschwendung. Nur wer mit Geld um sich warf, galt als erfolgreicher Krieger.

Das zusammengewürfelte Heer, das Peter III. nach Sizilien geführt hatte, wurde dort aber noch mit weiteren Elementen angereichert. Zuerst waren da natürlich die ghibellinischen Emigranten, die schon an Peters Hof oder in Tunis Schutz gesucht hatten. Dazu kamen zahlreiche Sizilianer, die mit den Anjou eine Rechnung offen hatten, oder einfach ihr Glück unter einer neuen Fahne versuchen wollten. Peters fähigster Admiral Roger de Llúria (auch Loria), der ganz wesentlich zum Erfolg des Krieges beitrug, war Sizilianer und brachte sicher auch eigene Besatzungen mit. Mit den ersten kamen bald Abenteurer aus ganz Italien. Gesetzlose und bei den Machtkämpfen um ihren Besitz gekommene Adlige boten auf beiden Seiten ihre Dienste an.

Galeere des 13. Jahrhunderts Zum bekanntesten dieser Abenteurer, die in diesem Krieg ihr Glück suchten, wurde Roger di Flor. Sein Vater Richard war ein Falkner des Stauferkaisers Friedrich II. gewesen, was auch nicht gerade auf eine adlige Herkunft deutet. Für seine treuen Dienste hatte er jedenfalls die Tochter einer der besten Familien in Brindisi zur Frau erhalten. Als treuer Diener der Staufer war er dann mit Konradin noch einmal in die Schlacht gezogen und gefallen. Da der Besitz der Familie von Karl von Anjou eingezogen wurde, wuchs Roger arm im Hafen von Brindisi auf. Dort wurde er von dem Kapitän einer Templergaleere angeworben. Er war zwar arm, aber als Sohn eines staufischen Ritters standen ihm die Aufstiegsmöglichkeiten des Ordens offen. Mit 20 erhielt er den Ordensmantel der Templer und wurde Kapitän der größten Ordensgaleere - des "Falken". Die Galeeren waren eine der wichtigsten Einnahmequellen des Ordens. Sie beraubten die Schiffe der Sarazenen und überfielen deren Siedlungen an der Küste. Roger verstand sein Geschäft und versorgte die Kassen des Ordens und sich selbst mit reicher Beute. Doch die schöne Zeit ging bald ihrem Ende entgegen. 1291 belagerten die Sarazenen Akkon, den letzten Stützpunkt der Kreuzfahrer in Palästina. Roger kam als Blockadebrecher zum Einsatz und beteiligte sich auch an Ausfällen der Verteidiger. Aber die Stadt war nicht zu halten. Die Stollen der Sarazenen unterhöhlten unaufhaltsam Mauern und Türme. Als sich die Niederlage abzeichnete, begannen sich die ersten mit ihren Schätzen und Reliquien auf den Schiffen der Genuesen und Venezianer abzusetzen.

In der Stadt hatten sich gewaltige Reichtümer angesammelt, die Habe der Flüchtlinge, Handelswaren und die Beute der Kreuzritter. Noch hielten die Ordensritter die zerbröckelnden Mauern, doch im Hafen drängten sich die Christen mit ihren Familien und ihrem Besitz. Die einfachen Leute trugen Bündel und ihre Kinder, die Reichen kamen mit Dienern, Wagen und Packtieren. Nur die Schiffe versprachen noch Rettung vor den Schwertern der Sarazenen. Man sollte hier vielleicht an die amerikanischen Helikopter auf dem Dach der Botschaft in Saigon denken. Es kam zu dramatischen Szenen und der Orden kassierte horrende Summen für die letzten Plätze. Auch Rogers Galeere wurde beladen, allerdings nur mit den Vornehmsten und Reichsten und den Schätzen der Templer. Während die Stadt schon brannte und Straßenkämpfe in den Vierteln wüteten kam sie noch aus dem Hafen.

Die Reste des Ordens flohen nach Zypern, doch dort wollte man die ehemaligen Verbündeten nicht haben. Roger machte sich Gedanken. Die Zeit des Ordens war vorbei und er war noch jung. Vielleicht erschien ihm auch sein Anteil am Gewinn des Ordens zu gering oder er fand, dass den Flüchtlingen noch viel zu viele von ihren Kostbarkeiten geblieben waren. Jedenfalls setzte er sie in Zypern an Land und machte sich selbständig. Die Schätze der Flüchtlinge und des Ordens an Bord betrachtete er als Startkapital. Damit war er in der Lage einige kleinere Schiffe zu erwerben. An mittellosen Abenteurern um diese zu bemannen fehlte es nach dem Fall Akkons nicht. Der fortdauernde Seekrieg zwischen Zypern, Byzanz, Armenien und den Sarazenen gab ihm Gelegenheit seinen Ruhm und Reichtum weiter zu vermehren. Bald sorgte sein Erfolg dafür, dass sich ihm andere Seeräuber anschlossen. Die wechselnden Fronten und Allianzen machten es schwierig immer zwischen Freund und Feind zu unterscheiden, so dass auch christliche Schiffe die Beute des öfteren bereicherten.

Als ihm der Boden dann doch zu heiß wurde, verlagerte Roger seine Geschäfte ins westliche Mittelmeer nach Marseille. Doch dort kam er in den Einflussbereich des Ordens und des Papstes. Die von ihm ausgeplünderten Flüchtlinge und andere Geschädigte hatten inzwischen beim Papst Klage geführt, und die Templer waren dabei ihre Macht zu konsolidieren. Beide wollten ihn festnehmen lassen und seine Güter beschlagnahmen. Doch er konnte sich rechtzeitig nach Genua absetzen und sich dort am Seekrieg gegen Venedig beteiligen. In der alten Hafenstadt versorgte er sich mit neuen Schiffen und Mannschaften. Aber auch in Genua betrieben der Papst und der Orden seine Auslieferung, so dass er auch dort nicht allzu lange bleiben konnte. Zu seinem Glück ging zu dieser Zeit der Krieg um Sizilien in eine neue Runde. Als Pragmatiker war Roger nicht nachtragend und bot seine Dienste einfach der reicheren Partei, also den Anjou, an. Aufgrund ihrer engen Verbindung zum Papst, wagten diese allerdings nicht, den gesuchten Verbrecher bei sich aufzunehmen. Für Roger war das kein Problem, er fuhr einfach weiter nach Sizilien, wo er dringend gebraucht wurde.

Denn dort standen die Dinge im Jahr 1300 alles andere als gut. Inzwischen hatte Peters Sohn Jakob II. (Jaime/Jaume) in Aragon den Thron bestiegen und die Regentschaft von Sizilien seinem Bruder Friedrich übertragen. Obwohl sich seine Truppen an allen Fronten gut schlugen - gegen französische Kreuzritter in Katalanien, gegen die Anjou in Süditalien und gegen Kastilien in Aragon -, wurde im der Druck zu groß und er beschloss einen günstigen Frieden zu machen. Zum Ausgleich für den Verzicht auf Sizilien erhielt er vom Papst Sardinien und Korsika. Der 1295 in Anagni geschlossene Friede bedeutete nicht nur, dass die Sizilianer der Vergeltung der Anjous ausgeliefert wurden, sondern auch, dass alle Untertanen des Königs von Aragon zurückkehren mussten.

Die Sizilianer beknieten Friedrich, sie nicht im Stich zu lassen, Der zögerte nicht allzu lange und ließ sich zum König von Sizilien krönen. Der Großteil der Truppen, die natürlich zurückgerufen worden waren, erklärte dem neuen König ihre Loyalität. Das war nicht nur aus heutiger Sicht Meuterei. Aber wohin hätten die armen Ritter aus Aragon oder die Almogavaren denn heimkehren sollen. Wahrscheinlich erwartete sie dort wenig; in Italien dagegen hatten sie gute Beute gemacht. Aus diesen Gründen waren sie sogar bereit gegen ihre eigenen Landsleute zu kämpfen, denn auf Druck des Papstes musste Aragon nun Schiffe zum Krieg gegen Sizilien stellen, die allerdings zurückgeschlagen werden konnten.

Seeschlacht

Wesentlich schwieriger war dagegen, dass Roger de Llúria den Frieden von Anagni akzeptiert hatte, und danach  auf die Seite des Papstes gewechselt war. Dadurch hatte sich die militärische Lage entscheidend geändert. Trotz der von Muntaner immer wieder hervorgehobenen Heldentaten der Almogavaren, war die Überlegenheit zur See der entscheidende Vorteil der Sizilianer gewesen. Durch sie konnten die Sizilianer Krieg nach Kalabrien und bis in die Provence tragen, das feindliche Hinterland in schnellen Raubzügen verwüsten und die eigenen Truppen ausreichend mit der gemachten Beute versorgen. Roger de Llúria gelang es nun die sizilianische Flotte zu schlagen und den Krieg nach Sizilien zu tragen. Messina wurde belagert und auf der ganzen Insel wurden die Lebensmittel knapp. Unter diesen Umständen war Roger mit seinen Schiffen eine äußerst willkommene Verstärkung. Er begann als Blockadebrecher und versorgte Messina mit Getreide. Dann ging er zum seinem alten Metier dem Kaperkrieg über. Darin war er vor Süditalien so erfolgreich, dass er selbst nicht nur immense Reichtümer anhäufte, sondern auch Friedrich mit der Beute seine Söldner bezahlen konnte. Friedrich ernannte ihn zum Vizeadmiral seiner Flotte und verlieh ihm größere Besitzungen auf Malta. Durch seine Erfolge und vor allem seine Freigebigkeit wurde Roger besonders bei den Söldnern sehr populär.

Danach ging der Krieg auf die übliche Weise weiter: die Almogavaren machten Überfälle in Kalabrien, und die Franzosen versuchten vergeblich einen Gegner zu stellen, der großen Schlachten geschickt auswich. Einen letzten unternahm Karl von Valois, der Bruder des französischen Königs, der im Auftrag des Papstes 4.000 Soldritter nach Italien führte und mit ihnen nach Sizilien übersetzte. Dort versuchte er durch die Belagerung von Sciacca Friedrich zur Entscheidungsschlacht zu zwingen. Doch dieser verhinderte durch seine leichten Reiter und die Almogavaren lediglich, dass sich die Franzosen aus dem Land versorgen konnten, so dass das Heer schließlich zum Großteil Hunger und Seuchen zum Opfer fiel. Auf diese Weise endlich kriegsmüde gemacht, willigte Karl von Anjou endlich in Friedensverhandlungen ein. 1302 in Caltabellota erhielt Friedrich dann die Herrschaft über Sizilien für die Dauer seines Lebens und gab dafür die von ihm eroberten Plätze in Kalabrien zurück.

Damit war der Krieg nach 20 Jahren zumindest vorerst vorbei - dass aus der Rückgabe Siziliens später nichts wurde, versteht sich von selbst. Im Moment hatte Friedrich jedoch andere Sorgen; er musste nach dem Krieg erst einmal wieder Handel und Wirtschaft in Schwung bringen. Dabei waren ihm natürlich die alten Söldner im Weg, nach Aragon wollte kaum einer zurück - wahrscheinlich wollte sie dort ohnehin niemand mehr haben - und es war absehbar, dass sie ohne Beschäftigung bald damit beginnen würden, in Sizilien zu rauben. Die rettende Idee kam schließlich Roger di Flor, der aus ihnen die "Große Kompanie" bildete und diese in den Orient neuen Abenteuern entgegen führte.

© Frank Westenfelder  


 
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