Im Herz der Finsternis
Die Gründung der Kongokolonie.
		 Wie nur in wenigen der ganz großen Werke der Weltliteratur gelingt
		Joseph Conrad in seinem Roman "Heart of Darkness" die Konstruktion eines
		Mythos, einer Geschichte, die weit über die persönlich-aktuelle
		Ebene hinausgeht und auf menschliche Urerfahrungen verweist. Es geht dabei
		nicht um die Afrikaner, sondern um den Repräsentanten der Zivilisation,
		der in einer barbarischen Gesellschaft der Versuchung der Macht erliegt und
		sich zum König, ja schließlich zum Gott erhebt. Während
		dieses Prozesses verliert er jedoch die dünne Schale der Zivilisation
		und mutiert selbst zum "Wilden". Um 1900 besaß Afrika wie kein anderer
		Kontinent den Ruf des Primitiven, Mythischen und Geheimnisvollen. Sowohl
		die moderne Kunst, wie auch die neu entstandene Psychoanalyse bezogen von
		hier grundlegende Inspirationen. Das Zentrum des dunklen Kontinents war
		der einzige Ort an dem noch Mythen wuchsen, als Europa die seinen längst
		verloren hatte. Die Reise dorthin wurde für den Europäer automatisch
		auch zu einer Reise in die Abgründe seiner eigenen Psyche. Das Erschreckende
		dabei war nicht nur, was er dort an Wildem und Grausamem vorfand, sondern
		seine geradezu unglaubliche Einsamkeit - die Verlorenheit des modernen,
		rationalistischen Individuums in einer kollektiven, mystischen Welt.
		Wie nur in wenigen der ganz großen Werke der Weltliteratur gelingt
		Joseph Conrad in seinem Roman "Heart of Darkness" die Konstruktion eines
		Mythos, einer Geschichte, die weit über die persönlich-aktuelle
		Ebene hinausgeht und auf menschliche Urerfahrungen verweist. Es geht dabei
		nicht um die Afrikaner, sondern um den Repräsentanten der Zivilisation,
		der in einer barbarischen Gesellschaft der Versuchung der Macht erliegt und
		sich zum König, ja schließlich zum Gott erhebt. Während
		dieses Prozesses verliert er jedoch die dünne Schale der Zivilisation
		und mutiert selbst zum "Wilden". Um 1900 besaß Afrika wie kein anderer
		Kontinent den Ruf des Primitiven, Mythischen und Geheimnisvollen. Sowohl
		die moderne Kunst, wie auch die neu entstandene Psychoanalyse bezogen von
		hier grundlegende Inspirationen. Das Zentrum des dunklen Kontinents war
		der einzige Ort an dem noch Mythen wuchsen, als Europa die seinen längst
		verloren hatte. Die Reise dorthin wurde für den Europäer automatisch
		auch zu einer Reise in die Abgründe seiner eigenen Psyche. Das Erschreckende
		dabei war nicht nur, was er dort an Wildem und Grausamem vorfand, sondern
		seine geradezu unglaubliche Einsamkeit - die Verlorenheit des modernen,
		rationalistischen Individuums in einer kollektiven, mystischen Welt.
		
		Die Eroberung Afrikas begann spät. Der Kontinent war verglichen
		mit Lateinamerika oder Asien arm, seine Bevölkerung kriegerisch, das
		Klima und die Krankheiten für Europäer mörderisch. Die Kolonialmächte
		hatten sich deshalb lange auf einzelne Forts an der Küste beschränkt,
		wo sie Sklaven - den einzigen für sie erkennbaren Reichtum Afrikas
		- von einheimischen Sklavenhändlern kauften. Als es den ersten Europäern
		dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelang, ins Landesinnere
		vorzustoßen, wurde dieser letzte noch uneroberte Kontinent nicht
		nur zum großen Anziehungspunkt von Naturforschern und Träumern,
		er erweckte auch die Gier skrupelloser Abenteurer, Karrierristen und verspäteter
		Conquistadoren.
		
		Eine der schillerndsten Figuren unter ihnen war Henry Morton Stanley.
		Widerstände räumte er mit Maschinengewehren und Dynamit beiseite,
		was ihm unter den Eingeborenen den Beinamen "Bula Matari"- der Felsenbrecher
		- eingebracht hatte. Aber mindestens genauso wichtig waren seine Fähigkeiten
		im Umgang mit den Medien. Er schrieb Bücher mit der gleichen Besessenheit,
		mit der er sich den Weg durch den Dschungel bahnte, publizierte Artikel
		und machte Vortragsreisen. Kaum jemand konnte Afrika besser verkaufen als
		er. Im Auftrag einer amerikanischen Zeitung hatte er 1871 den verschollenen
		Afrikaforscher Livingstone am Tanganyikasee gefunden. Ein paar Jahre später
		hatte er von Sansibar aus die zentralafrikanischen Seen erkundet, war zum
		Quellgebiet des Kongo vorgestoßen und hatte auf diesem den Kontinent
		von Ost nach West durchquert. Aber Stanley hatte nicht nur den wichtigsten
		Verkehrsweg Afrikas erkundet, er hatte sich seinen Weg mehrmals in regelrechten
		Schlachten freigeschossen und dadurch bewiesen, dass eine Hand voll
		entschlossener Männer mit Gewehren hier einfach alles erreichen konnte.
		In den europäischen Salons und Fürstenhöfen, wo er danach
		häufig zu Gast war wurde er deshalb enthusiastisch als "neuer Pizarro"
		gefeiert.
		
		 Bei diesem Jubel wurde gerne übersehen, dass die europäischen
		Entdecker nicht die ersten waren, die auf diesem Weg ins Innere Afrikas
		vordrangen. Alle folgten den Spuren der swahili-arabischen Sklavenhändler
		von Sansibar. Diese trieben bereits seit Jahrhunderten Handel an der Küste,
		doch dann ermöglichten ihnen wie auch den Europäern zwei Dinge,
		ihr Einflußgebiet schlagartig auszuweiten: die Verbreitung des Chinins
		und die Verbesserung der Feuerwaffen. Dem Fieber fielen weit mehr Weiße
		in Afrika zum Opfer als den Speeren der Eingeborenen. Stanley benützte
		Schnellfeuerkanonen von Krupp und Maschinengewehre von Maxim, und die Mahdisten
		wurden erst in der sogenannten "Maschinengewehrschlacht" von Omdurman besiegt.
		Den Sklavenhändlern genügten Chinin und Repetiergewehre, um in
		den 70er Jahren Katanga und Maniema auf der Westseite des Tanganyikasees
		zu erreichen. Die benötigten Truppen rekrutierten sie wie die Türken
		einfach unter ihren Sklaven. Was am Nil "Basinger" genannt wurde, hatte
		am Kongo den Namen "Wangwana". Auch hier bevorzugte man geraubte Kinder,
		die dann zum Kriegsdienst erzogen ideale Werkzeuge ihrer Herren waren.
		Oft verfügte ein Sklavenhändler über mehrere tausend Wangwana.
		Der mächtigste unter ihnen war der gefürchtete Tippu Tip, der
		sich um Nyangwe ein eigenes Reich erobert hatte. Er galt als der ungekrönte
		König von Maniema und wurde Stanleys wichtigster Verbündeter
		in dieser Region. Gegen gute Bezahlung begleitete ihn Tippu Tip eine Strecke
		entlang des Kongo und nutzte dabei die Gelegenheit seine Jagdgründe
		nach Norden auszuweiten.
		Bei diesem Jubel wurde gerne übersehen, dass die europäischen
		Entdecker nicht die ersten waren, die auf diesem Weg ins Innere Afrikas
		vordrangen. Alle folgten den Spuren der swahili-arabischen Sklavenhändler
		von Sansibar. Diese trieben bereits seit Jahrhunderten Handel an der Küste,
		doch dann ermöglichten ihnen wie auch den Europäern zwei Dinge,
		ihr Einflußgebiet schlagartig auszuweiten: die Verbreitung des Chinins
		und die Verbesserung der Feuerwaffen. Dem Fieber fielen weit mehr Weiße
		in Afrika zum Opfer als den Speeren der Eingeborenen. Stanley benützte
		Schnellfeuerkanonen von Krupp und Maschinengewehre von Maxim, und die Mahdisten
		wurden erst in der sogenannten "Maschinengewehrschlacht" von Omdurman besiegt.
		Den Sklavenhändlern genügten Chinin und Repetiergewehre, um in
		den 70er Jahren Katanga und Maniema auf der Westseite des Tanganyikasees
		zu erreichen. Die benötigten Truppen rekrutierten sie wie die Türken
		einfach unter ihren Sklaven. Was am Nil "Basinger" genannt wurde, hatte
		am Kongo den Namen "Wangwana". Auch hier bevorzugte man geraubte Kinder,
		die dann zum Kriegsdienst erzogen ideale Werkzeuge ihrer Herren waren.
		Oft verfügte ein Sklavenhändler über mehrere tausend Wangwana.
		Der mächtigste unter ihnen war der gefürchtete Tippu Tip, der
		sich um Nyangwe ein eigenes Reich erobert hatte. Er galt als der ungekrönte
		König von Maniema und wurde Stanleys wichtigster Verbündeter
		in dieser Region. Gegen gute Bezahlung begleitete ihn Tippu Tip eine Strecke
		entlang des Kongo und nutzte dabei die Gelegenheit seine Jagdgründe
		nach Norden auszuweiten.
		
		Nach Stanleys Rückkehr nahmen Agenten König Leopolds von Belgien
		mit ihm Kontakt auf. Leopold suchte schon lange nach der Möglichkeit
		eine Kolonie zu gründen. An der Küste zwischen den portugiesischen
		und französischen Besitzungen war zwar praktisch nichts mehr zu bekommen,
		aber auf das Landesinnere entlang des gewaltigen Stroms und seiner Nebenflüsse
		hatte bislang niemand Anspruch erhoben. Stanley hatte mit seiner Expedition
		dem König nicht nur das Ziel gezeigt, sondern sich gleichzeitig als
		der passende Mann für diese Aufgabe empfohlen. Da man in Belgien wenig
		Interesse an den afrikanischen Geschäften des Königs hatte, wurde
		der Erwerb der Kolonie zu dessen Privatsache, deren Ausführung Stanley
		übernahm.
		
		 Die Unterwerfung der Kolonie geschah wie im Sudan hauptsächlich
		durch Afrikaner, die von einigen wenigen Weißen geführt wurden.
		Das erste Kontingent rekrutierte Stanley unter den Sklavenhändlern
		Sansibars, dann folgten schwarze Söldner von der Goldküste, Sierra
		Leone und Haussa aus dem heutigen Nigeria. Mit diesen Truppen war es dann
		einfach bei den unterworfenen Stämmen Arbeiter, Träger und neue
		Söldner zu rekrutieren. Aus ihnen wurde dann 1886 die FP (Force Publique)
		geformt. Lange unterschied sich eine Kolonne der FP kaum von einer der
		Sklavenhändler. Den Söldnern folgten Frauen und Träger,
		und bei Siegen wurde geplündert und gemordet.
		Die Unterwerfung der Kolonie geschah wie im Sudan hauptsächlich
		durch Afrikaner, die von einigen wenigen Weißen geführt wurden.
		Das erste Kontingent rekrutierte Stanley unter den Sklavenhändlern
		Sansibars, dann folgten schwarze Söldner von der Goldküste, Sierra
		Leone und Haussa aus dem heutigen Nigeria. Mit diesen Truppen war es dann
		einfach bei den unterworfenen Stämmen Arbeiter, Träger und neue
		Söldner zu rekrutieren. Aus ihnen wurde dann 1886 die FP (Force Publique)
		geformt. Lange unterschied sich eine Kolonne der FP kaum von einer der
		Sklavenhändler. Den Söldnern folgten Frauen und Träger,
		und bei Siegen wurde geplündert und gemordet.
		
		Stanley wurde bald von König Leopold abberufen um dessen Sache
		an der Propagandafront in Europa zu vertreten. Und während er auf
		Vortragsreisen die internationale Anerkennung der Kolonie mit vorbereitete,
		begann die FP damit den Kongo durch das Sammeln von Kautschuk und Elfenbein
		in ein profitables Unternehmen umzuwandeln. Offiziell verbreitete man die
		Zivilisation und bekämpfte den Sklavenhandel. Doch auch hier ging
		es mehr darum, die arabische Konkurrenz aus dem Geschäft zu drängen,
		da die Kolonie einen unersättlichen Bedarf an Gummisammlern, Trägern
		und Soldaten hatte. Auf der Suche nach neuen Gebieten und Menschenreserven
		stieß die FP immer weiter ins Landesinnere vor.
		
		Da begann plötzlich die Diskussion um die Befreiung Emin Paschas,
		der nach dem Aufstand der Mahdisten abgeschnitten in Äquatoria saß.
		König Leopolds Blick fiel dadurch auf die von Ägypten aufgegebene
		Provinz, die im Nordosten zumindest hypothetisch an sein Gebiet grenzte.
		In Emins Magazinen lagerten riesige Mengen Elfenbein und warteten nur auf
		den Abtransport. Vor allem aber hatte Emin mit den Jahren eine funktionierende
		Infrastruktur aufgebaut. Er hatte Soldaten, eine Verwaltung und die Häuptlinge
		der Region hatten sich mit seiner Herrschaft abgefunden. Äquatoria
		war ein kleines Reich, das nur darauf zu warten schien, sich einer größeren
		Macht anzuschließen.
		
		 Die englische Regierung hatte nach dem Desaster der Hicksschen Expedition
		und dem Fall von Khartoum vorerst das Interesse an weiteren afrikanischen
		Abenteuern verloren. Da es dennoch ein starkes öffentliches Interesse
		an einer Rettung Emin Paschas gab, wurde der Entschluß gefasst, Stanley
		mit einer durch private Spenden finanzierten Rettungsexpedition zu beauftragen.
		Was dabei von seinen Auftraggebern offensichtlich übersehen wurde
		war, dass dieser immer noch auf Leopolds Gehaltsliste stand. Und so
		nahm das Unglück seinen Lauf. Stanley entschied sich nicht für den bekannten
		und kürzeren Weg von Sansibar durch Ostafrika, sondern für den 
		vom Kongo, um auf diese Weise Äquatoria Leopolds Kolonie anzugliedern.
		Natürlich begann er seine Expedition in Sansibar, wo er über
		600 bewaffnete Träger rekrutierte. Um Verbündete zu gewinnen,
		ernannte er im Namen Leopolds Tippu Tip zum Gouverneur der Provinz an den
		Stanleyfällen. Der mächtigste Sklavenhändler konnte dadurch
		sein Einflußgebiet gewaltig ausdehnen, erhielt Waffen und Munition,
		und versprach im Gegenzug der Expedition die benötigten Träger
		zu liefern.
		Die englische Regierung hatte nach dem Desaster der Hicksschen Expedition
		und dem Fall von Khartoum vorerst das Interesse an weiteren afrikanischen
		Abenteuern verloren. Da es dennoch ein starkes öffentliches Interesse
		an einer Rettung Emin Paschas gab, wurde der Entschluß gefasst, Stanley
		mit einer durch private Spenden finanzierten Rettungsexpedition zu beauftragen.
		Was dabei von seinen Auftraggebern offensichtlich übersehen wurde
		war, dass dieser immer noch auf Leopolds Gehaltsliste stand. Und so
		nahm das Unglück seinen Lauf. Stanley entschied sich nicht für den bekannten
		und kürzeren Weg von Sansibar durch Ostafrika, sondern für den 
		vom Kongo, um auf diese Weise Äquatoria Leopolds Kolonie anzugliedern.
		Natürlich begann er seine Expedition in Sansibar, wo er über
		600 bewaffnete Träger rekrutierte. Um Verbündete zu gewinnen,
		ernannte er im Namen Leopolds Tippu Tip zum Gouverneur der Provinz an den
		Stanleyfällen. Der mächtigste Sklavenhändler konnte dadurch
		sein Einflußgebiet gewaltig ausdehnen, erhielt Waffen und Munition,
		und versprach im Gegenzug der Expedition die benötigten Träger
		zu liefern.
		
		Nachdem Stanley mit seinen europäischen Offiziere, den Sansibariten
		und 150 Tonnen Waffen und Munition Afrika umrundet hatte, fuhren sie mit
		den Dampfbooten der Kongogesellschaft bis zur Mündung des Aruwimi,
		wo sie auf Tippu Tips Träger warteten. Da dieser jedoch immer neue
		Ausreden vorschob, machte sich Stanley mit den Gesündesten seiner
		Männer auf den Weg durch den Regenwald zum Albertsee. Die Kranken
		wurden mit der Masse der Ausrüstung unter der Aufsicht einiger europäischer
		Offiziere zurückgelassen. Außer Trägern fehlte Stanley
		vor allem Proviant. Er hatte sicher damit gerechnet beides auf gewohnte
		Weise bei den Eingeborenen zu beschlagnahmen. Doch die hatten inzwischen
		ausreichend Bekanntschaft mit den Sklavenjägern oder der FP gemacht,
		so dass sie beim Herannahen der Expedition sofort flohen, oder sie
		aus dem Hinterhalt angriffen. Die meisten von Stanleys Männer überlebten
		die Strapazen nicht. Diejenigen, die auch mit der Nilpferdpeitsche - der
		gefürchteten Chikote - nicht zum Weitergehen zu bewegen waren, wurden
		als ausgebrannte Wracks zurückgelassen. Und obwohl Stanley mehrmals
		"Deserteure" hängen ließ und die Sansibariten den Dschungel
		fürchteten versuchten viele zu fliehen.
		
		Schließlich erreichte ein armseliger Rest halbverhungert den Albertsee.
		Emin Pascha war von diesen "Rettern", die er erst einmal füttern und
		kleiden mußte nicht sehr beeindruckt. Wieder bei Kräften ging
		Stanley noch einmal zurück, um nach der Nachhut zu suchen. Doch auch
		von der war in dem Lager am Aruwimi nicht mehr viel übrig. Sein Diener
		William Hoffmann beschreibt die Szene so: "Lying on the ground, unburied
		and rotting, where the bodies of dead men. Close by, too weak to stand,
		crawled the sick, some obviously dying, their flesh eaten away by disease
		and dysentery, their bodies bearing ulcers as large as saucers. The whole
		place seemed to me like one gigantic graveyard: the stench was unbearable;
		the sights were worse. [...] The statistics, too were appaling: out of
		257 men that we had left at Yambuya, we found only 71 alive." Tippu Tips
		Leute hatten die Gelegenheit benützt um von den ausgehungerten Zurückgelassenen
		Waffen und Munition gegen Essen einzutauschen. Um die Disziplin aufrecht
		zu erhalten, griffen die weißen Offiziere zu immer drastischeren
		Methoden, wobei einige ihrer niedrigsten Instinkte zum Ausbruch kamen.
		Allen voran war der britische Major Barttelot für seine Grausamkeit
		gefürchtet, bis ihn endlich ein Eingeborener erschoß, der seine
		Frau beschützen wollte. Barttelot hatte es zum Beispiel geduldet,
		dass Jameson der "Wissenschaftler" der Expedition eine Sklavin einer
		Gruppe von Kannibalen übergab, um sich dann Skizzen von den folgenden
		Szenen machen zu können. Selbst der an einiges gewohnte Stanley schrieb
		später, dass seine Offiziere Dinge getan hätten "too horrible
		to describe in all their barbarity-things which were they fully described
		would make an Englishman’s blood boil and his cheeks flush with shame."
		
		Damit hatte Stanley Emin nichts mehr zu bieten. Dennoch wollte er seinen
		persönlichen Triumph haben. Das hieß, wenn er schon Äquatoria
		nicht für die Kongokolonie gewinnen konnte, so wollte er doch zumindest
		Emin als Trophäe nach Europa bringen. Doch dieser dachte gar nicht
		daran sich zurückzuziehen. Auch seine Soldaten wollten bleiben. Sie
		hatten sich entschlossen gegen die Mahdisten verteidigt und diese mit schweren
		Verlusten zurückgeschlagen. Alle hatten Familien, die Offiziere oft
		einen richtigen Harem. Vor allem die unter den Einheimischen rekrutierten
		schwarzen Söldner waren bereit gegen die Mahdisten, die sie lange
		genug als Sklavenhändler kennengelernt hatten, bis zum Letzten zu
		kämpfen. Jetzt mit der Ankunft Stanleys machten schnell Gerüchte
		die Runde, dass die Weißen nur Emin und die türkischen
		Offiziere retten wollten, die schwarzen Söldner und ihre Familien
		aber als Sklaven verkaufen wollten. Es kam zu Verschwörungen und schließlich
		zur offenen Meuterei, bis Emin nur noch die gemeinsame Flucht mit seinen
		Rettern blieb. Damit waren zwar Stanleys Dienste für den Kongostaat
		beendet, aber nicht dessen Interesse an Äquatoria.
		
		 Als zehn Jahre später (1892) eine Expedition der FP vom Kongo aus
		an den Nil bei Wadelai vorstieß traf sie dort auf Reste von Emins
		Truppen, die sich immer noch hielten. Nachdem sich die FP zurückziehen
		mußte, versuchten die Belgier fünf Jahre später noch einmal
		Äquatoria zu annektieren. Dieses Mal hatten sie genug Truppen zusammengezogen
		und planten sogar Khartoum zu erobern. Doch diese Machtfülle war anscheinend
		dem kommandierenden Offizier der Vorhut zu Kopf gestiegen. Er hatte seinen
		Soldaten nicht nur verboten wie sonst üblich ihre Frauen mitzunehmen,
		sondern drillte sie auch noch am Abend nach den erschöpfenden Märschen
		mit militärischen Übungen. Zu Festigung seiner Autorität
		machte er dabei ausgiebigst von der Chikote gebrauch. Kurz vor dem Nil
		rebellierten seine Soldaten, banden ihn an einen Baum und folterten ihn
		zu Tode. Nur einigen seiner weißen Offizieren gelang die Flucht zur
		Hauptmacht. Als dann auch diese von den Meuterern angegriffen wurde, liefen
		die meisten Schwarzen sofort zu diesen über. Durch immer neue Deserteure
		verstärkt versuchten die Rebellen am Tanganyikasee ein eigenes Reich
		zu errichten. Erst Jahre später und nach mehreren blutigen Feldzügen
		der FP, zog sich der Rest nach Deutsch Südostafrika zurück.
		Als zehn Jahre später (1892) eine Expedition der FP vom Kongo aus
		an den Nil bei Wadelai vorstieß traf sie dort auf Reste von Emins
		Truppen, die sich immer noch hielten. Nachdem sich die FP zurückziehen
		mußte, versuchten die Belgier fünf Jahre später noch einmal
		Äquatoria zu annektieren. Dieses Mal hatten sie genug Truppen zusammengezogen
		und planten sogar Khartoum zu erobern. Doch diese Machtfülle war anscheinend
		dem kommandierenden Offizier der Vorhut zu Kopf gestiegen. Er hatte seinen
		Soldaten nicht nur verboten wie sonst üblich ihre Frauen mitzunehmen,
		sondern drillte sie auch noch am Abend nach den erschöpfenden Märschen
		mit militärischen Übungen. Zu Festigung seiner Autorität
		machte er dabei ausgiebigst von der Chikote gebrauch. Kurz vor dem Nil
		rebellierten seine Soldaten, banden ihn an einen Baum und folterten ihn
		zu Tode. Nur einigen seiner weißen Offizieren gelang die Flucht zur
		Hauptmacht. Als dann auch diese von den Meuterern angegriffen wurde, liefen
		die meisten Schwarzen sofort zu diesen über. Durch immer neue Deserteure
		verstärkt versuchten die Rebellen am Tanganyikasee ein eigenes Reich
		zu errichten. Erst Jahre später und nach mehreren blutigen Feldzügen
		der FP, zog sich der Rest nach Deutsch Südostafrika zurück.
		
		Dieses Beispiel verdeutlicht das Hauptproblem der Weißen im Kongo.
		Anders als die Engländer in Indien verfügten sie über keine
		disziplinierten Kolonialtruppen. Da die Kolonie bei geringen Mitteln möglichst
		schnell Profit abwerfen sollte, stützten sie sich wie die Araber auf
		Sklavensoldaten, für die es nur zwei Motive gab ihrem Herrn zu folgen:
		Angst und die Lust auf Beute. Oft beherrschte ein einziger Weißer
		ein riesiges Gebiet, dem er mit seinen Hilfstruppen immer größere
		Mengen an Elfenbein, Kautschuk und Menschen abpressen mußte. Auf
		den Kriegszügen führte eine Hand voll weißer Offiziere
		über 1.000 Eingeborene, von deren Sprachen sie bestenfalls einige
		wenige Worte verstanden. Unter diesen Umständen mutierten sie zu Häuptlingen,
		zu Magiern. Da sie aber für die fremde Kultur keinerlei Verständnis
		hatten und von der eigenen total isoliert waren, verloren sie oft völlig
		den Bezug zur Realität. Geiselnahme ganzer Dörfer, hängen,
		peitschen, der Hungertod von Zwangsarbeitern waren sozusagen "normale"
		Maßnahmen, die von allen Kolonialmächten praktiziert wurden.
		Doch die kranken Gehirne der Weißen im Kongo ersannen immer schrecklichere
		Methoden, um ihre Macht zu festigen. Aus Angst vor Rebellionen erhielten
		die schwarzen Söldner oft nur eine Patrone, wenn sie die rechte Hand
		eines getöteten Feindes brachten. Da diese jedoch auch mit ihren Gewehren
		jagten und im Kampf manchmal ihr Ziel verfehlten, besorgten sie sich die
		Hände von Lebenden. Und viele der weißen Herren duldeten es,
		wenn man ihnen die Hände von Frauen oder Kindern brachte. Ein amerikanischer
		Missionar schrieb 1895: "Stellen Sie sich vor, Sie kommen aus einem Kampf
		gegen die Rebellen (?) zurück, und sie sehen am Bug ihres Kanus ein
		Bündel mit irgend etwas. Es sind die Hände von sechzehn von ihnen
		umgebrachten Kriegern. 'Krieger!' Sehen Sie darunter nicht auch die Hände
		von kleinen Kindern und Mädchen? Ich habe sie gesehen."
		
		 Mit die besten Söldner fand die FP unter den kannibalistischen
		Stämmen. Und auch hier zeigten die Offiziere Verständnis. Selbst
		William Hoffmann, der in Stanleys Gefolge genug Grausamkeiten gesehen hatte
		und später noch einige Jahre im Kongo diente, berichtet von den von
		Gräueltaten während des großen Söldneraufstandes in
		Kasai als etwas Außergewöhnlichem. Er sah wie Frauen gehängt,
		gefoltert und lebend geschlachtet wurden. Ein weißer Offizier wies
		ihn darauf hin, dass er keine Befehle habe, sich in die "Angelegenheiten
		der Soldaten. zu mischen". Mehrmals wurde er Zeuge wie Gefangene von den
		Söldnern geschlachtet und gebraten wurden: "it was dreadful to watch
		them cut up the body for all the world as though it were a beefsteak, and
		cook it greedily before their little fires".
		Mit die besten Söldner fand die FP unter den kannibalistischen
		Stämmen. Und auch hier zeigten die Offiziere Verständnis. Selbst
		William Hoffmann, der in Stanleys Gefolge genug Grausamkeiten gesehen hatte
		und später noch einige Jahre im Kongo diente, berichtet von den von
		Gräueltaten während des großen Söldneraufstandes in
		Kasai als etwas Außergewöhnlichem. Er sah wie Frauen gehängt,
		gefoltert und lebend geschlachtet wurden. Ein weißer Offizier wies
		ihn darauf hin, dass er keine Befehle habe, sich in die "Angelegenheiten
		der Soldaten. zu mischen". Mehrmals wurde er Zeuge wie Gefangene von den
		Söldnern geschlachtet und gebraten wurden: "it was dreadful to watch
		them cut up the body for all the world as though it were a beefsteak, and
		cook it greedily before their little fires".
		
		Natürlich waren nicht alle weißen Söldner in Afrika
		perverse Schlächter. Bei einigen mischte sich Abenteuerlust mit einer
		echten Neugier an fremden Kulturen, wie z.B. bei Slatin, der bereits mit
		16 Jahren in den Sudan reiste. Er sprach fließend arabisch und hatte
		trotz seiner langen Gefangenschaft nie Resentiments gegenüber den
		Arabern. Von ähnlicher Natur war der britische Abenteurer Herbert
		Ward, der ebenfalls aus gutbürgerlicher Familie stammte und mit 15
		Jahren zur See fuhr. Er lebte bei den Maoris, arbeite als Goldsucher in
		Australien und für eine britische Handelsgesellschaft auf Borneo.
		Danach zählte er zu den ersten weißen Offizieren, die unter
		Stanley die Kongokolonie erschlossen. Andere wie der Italiener Romolo Gessi
		im Sudan oder einige belgische Offiziere bemühten sich wirklich den
		Sklavenhandel zu unterdrücken, doch alle waren auf schwarze Sklavensoldaten
		und Träger angewiesen. Von Emin steht fest, dass ihm Gewalt und
		Brutalität zuwider waren, und er sich ehrlich bemühte die Situation
		der Eingeborenen zu verbessern. Für Stanley, der besser mit der Chikote
		umzugehen wußte, war Emin deshalb ein weltfremder Idealist. Sein
		Diener Hoffmann bezeichnete ihn sogar als: "an indecisive, vacillating,
		yet charming humbug."
		
		Für die meisten Europäer war Afrika jedoch eine Chance den
		beengten Verhältnissen ihrer Heimat zu entfliehen, Karriere zu machen
		und für europäische Verhältnisse ungewöhnlich viel
		Geld zu verdienen. Dabei mußten sie sich beeilen, denn viele starben
		einen gewaltsamen Tod, noch mörderischer war das Fieber, und auch
		der Alkohol forderte zahlreiche Opfer. In der Gründungsphase der Kongokolonie
		klagte Stanley darüber, dass das ganze Projekt dabei sei, sich
		in ein Transportunternehmen für Bier und Wein zu verwandeln. Alle
		waren prozentual am Handel mit Elfenbein und Kautschuk beteiligt und viele
		machten mit Alkohol und Sklaven Geschäfte auf eigene Rechnung. Dabei
		gebärdeten sich die schlimmsten wie barbarische Häuptlinge. So
		dekorierte der belgische Kommandeur der Station an den Stanley-Fällen
		sein Blumenbeet mit Totenköpfen und hielt sich gleich mehrere schwarze
		Konkubinen. Aus dem Sudan wurde von dem französischen Elfenbein- und
		Sklavenhändler Alfons de Malzac berichtet, dass er einen seiner
		Diener, der im Streit die Partei seiner Lieblingssklavin ergriffen hatte,
		im Hof an einem Baum, den zahlreiche Eingeborenenschädel schmückten,
		gebunden und als Zielscheibe benutzt habe.
		
		So verschieden diese Männer auch waren, eines hatten sie gemeinsam:
		Alle waren Entwurzelte, die als echte Abenteurer im Dienst fremder Herren
		ihr Glück zu machen suchten. Die erste größere Gruppe stellten
		wie gesagt Veteranen Napoleons. Ihnen folgten dann entlassene Offiziere
		des Sezessionskriegs. Sowohl im Sudan wie im Kongo trifft man auch immer
		auf Deutsche und Italiener. Als dann Deutschland und Italien eigene Kolonien
		in Afrika hatten, ging ihre Zahl zurück. Schweizer und Skandinavier
		blieben König Leopold dagegen erhalten. Eine weitere Gruppe bildeten
		die Briten, unter denen sich viele ehemalige Seeleute befanden. Natürlich
		dominierten im Kongo die Belgier, aber unter diesen wiederum die Flamen,
		die in ihrer Heimat kaum Aufstiegschancen hatten. Bezeichnend mag hier
		auch das Schicksal Emins sein, dem nach dem Medizinstudium in Deutschland
		aufgrund seiner jüdischen Herkunft die Zulassung verweigert worden
		war. Ein extremes Beispiel ist sicher die Biographie von Stanley, der unter
		erbärmlichen Umständen in einem englischen Armenhaus aufgewachsen
		war. Später war er in die USA emigriert, hatte auf beiden Seiten am
		Sezessionskrieg teilgenommen und war sicher bereit für den gesellschaftlichen
		Aufstieg fast jeden Preis zu bezahlen.
		
		Aber auch Joseph Conrad war einer dieser Männer von überall
		und nirgendwo. Als Pole ohne Heimat war er mit russischer Nationalität
		aufgewachsen, dann war er auf englischen Schiffen in Asien gefahren, um
		schließlich König Leopold seine Dienste anzubieten. Er war diesen
		abgemusterten Seeleuten, Ex-Offizieren und Abenteurern schon oft begegnet.
		Sie suchten nach Gold in Kalifornien oder Transvaal, verkauften Waffen
		an die Maoris in Neuseeland, die Buren in Südafrika oder die Aufständischen
		in Kuba, handelten in Asien mit chinesischen Kulis und in Afrika mit Elfenbein
		und Sklaven. Gordon der Verteidiger von Khartoum war in Asien als Conrad
		sich dort aufhielt bereits als "Chinese-Gordon" eine Legende, genauso die
		Beute, die seine Söldner beim Plündern chinesischer Städte
		gemacht hatten. Auch Ward und Barttelot hatten in Asien gedient, bevor
		sie in den Kongo gekommen waren. Conrad war diesem Menschlag, den er im
		Kongo antraf, bereits zu Genüge in asiatischen Hafenstädten begegnet.
		Obwohl Conrad viele dieser Männern sicher verachtete, muß er
		doch bemerkt haben, dass die Unterschiede innerhalb der Gruppe größer
		waren, als die zwischen ihm selbst und so manchem von ihnen. Die Übergänge
		waren fließend, und oft verlief zwischen dem "noch Akzeptablen" und
		dem "schon Verdorbenen" nur eine hauchdünne Trennlinie. Mit dem Überschreiten
		dieser Grenze - besonders in extremen Situationen - beschäftigte sich
		Conrad immer wieder. 1890 besuchte er am oberen Kongo das Grab von Major
		Edmund Musgrave Barttelot, dem Helden der britischen Armee und Sohn eines
		Parlamentsabgeordneten, der als Kommandeur von Stanleys Nachhut gerade
		zwei Jahre zuvor in sadistischen Orgien den Verstand verloren haben mußte.
		Im Gegensatz zu Edmund Morel, Roger Casement, Mark Twain oder Arthur Conan
		Doyle, die  die Gräueltaten in Königs Leopolds Kolonie anklagten,
		interessierte sich Conrad mehr für die Psyche der Täter, die
		aus seinem eigenen sozialen Umfeld kamen. Und dabei gelang es ihm "den
		Schrecken" eindringlicher und dauerhafter zu vermitteln als seinen Zeitgenossen
		
